Kim Schneyder
abgibt. Denk beim nächsten Mal an meine Worte, Heidi: Nehmen, genießen, ausspucken!«
Für ihn scheint das eine Art Weltformel zu sein. Aber irgendwie verstehe ich ihn auch, schließlich hat Honzo diesbezüglich auch schon seine Erfahrungen gemacht.
Es ist schon ein paar Jahre her, da glaubte auch er, seine große Liebe gefunden zu haben: Murat. Sie waren überglücklich und hatten große Pläne, sprachen bereits über ein gemeinsames Haus mit blickdichter Terrasse, auf der sie nackt in der Sonne liegen und sich gegenseitig mit Tiroler Nussöl einschmieren hätten können, und über eine Familie mit allem, was dazugehört: Pekinese und Perserkatze, und auch die Adoption eines kleinen Jungen stand zur Debatte, den sie dann zum Ballettunterricht schicken und dem sie Barbiehäuser voller gut gebauter Kens schenken wollten …
Für Honzo wäre damit ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen, aber es sollte ein Traum bleiben. Es muss damals wirklich hart für ihn gewesen sein, zu erfahren, dass Murat einen besseren Liebhaber gefunden hatte. »Isser sich voll ohne Hemmung, weißt du? Und dazu volle Supergurke!«, hat er Honzo gnadenlos in seinem Abschiedsbrief geschrieben, und es war dann auch nicht eben tröstlich, als sich diese hemmungslose Supergurke ausgerechnet als Honzos Bruder herausstellte.
»Mittlerweile weiß ich, dass du recht hast, Honzo. Beim nächsten Mal werde ich daran denken«, versichere ich ihm.
»Kluges Kind«, nickt er zufrieden. »Nehmen, genießen, ausspucken!«, wiederholt er dann noch einmal für den Fall, dass ich es inzwischen vergessen habe.
»Apropos nehmen und genießen, Honzo: Hattest du schon mal einen Anwalt?«, komme ich dann wieder zum eigentlichen Thema zurück.
Honzo denkt kurz nach. »Nein, nicht dass ich wüsste«, antwortet er dann. »Wieso, hast du einen für mich?«
»Hm … könnte sein.«
Er springt sofort darauf an. »Erzähl: Was für ein Typ wäre das denn?«
»Also, er ist eigentlich genau so, wie man sich diese Typen vorstellt …«, beginne ich. »Knapp vierzig … aber sehr gut in Form«, füge ich schnell hinzu, als Honzo im Spiegel sein Gesicht verzieht. »Sexuell ziemlich aufgeschlossen, gut gebaut, und dazu …«
»Jaa …?« Honzo stiert mich erwartungsvoll an.
»Noch Jungfrau «, raune ich in verschwörerischem Tonfall.
»Wie, noch Jungfrau?« Honzo schnallt es nicht. Verblüfft sagt er: »Wie soll das denn gehen, sexuell aufgeschlossen, aber noch Jungfrau, und das mit vierzig?! «
»Na, wie wohl?« Ich werfe ihm einen bedeutungsvollen Blick durch den Spiegel zu.
»Ach, du meinst …?«, haucht er atemlos.
»Kapierst du’s?«, nicke ich ihm aufmunternd zu.
»Du meinst, er hat noch nie mit einem Mann …?«
»Ja, genau.«
»Und jetzt möchte er was Neues ausprobieren?« Honzo bekommt ganz feuchte Augen bei der Vorstellung. »Und du meinst, ich wäre sein Typ?«
»Keine Ahnung, aber das werden wir dann ja herausfinden, nicht wahr?«, zucke ich die Schultern.
»Ach, Heidi, mein Schätzchen, ich liebe dich.« Honzo deutet eine Umarmung und Wangenküsschen an.
Doch dann flackern seine Augen plötzlich misstrauisch auf.
»Moment mal, Heidi! Du sagtest, der Typ sei Anwalt und um die vierzig?«
»Ja. Wieso?« Ich bemühe mich um einen unschuldigen Gesichtsausdruck.
Honzo kneift seine Augen ganz schmal zusammen, sodass sie jetzt aussehen wie ein durchgehender, dicker Kajalstrich.
»Dein Gerhard ist doch Anwalt, und ist der nicht auch um die vierzig?«
»Ja, schon«, nicke ich wieder.
»Sag bloß … willst du mich etwa mit ihm verkuppeln?«
»Wer redet denn von verkuppeln, Honzo? Ich rede von nehmen, genießen und ausspucken.« Ich versuche es möglichst abfällig auszusprechen. »Mehr haben die Kerle doch nicht verdient, das hast du selbst mir beigebracht.«
Er lässt sich meine Worte durch den Kopf gehen, und diesem Argument kann er sich nicht verschließen. Sofort macht seine Empörung wieder der Neugierde Platz. Er beginnt, hektisch an meinen Haaren herumzuzupfen, während er weiterredet.
»Und wie soll das bitteschön funktionieren? Soviel ich weiß, steht der doch nur auf Frauen!«
Das klingt so, als hielte Honzo von Frauen ebenso wenig wie von Männern. Anscheinend ist das einzige Geschlecht, das er akzeptiert, das schwule .
»Das stimmt auch, bis jetzt zumindest«, räume ich ein.
»Und wie willst du ihn dann dazu bringen, mit mir in die Kiste zu hüpfen? Hast du schon einen Plan?«
»Wäre ich sonst hier?«
»Du bist doch
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