Kim Schneyder
genau diese Szene bringt mich plötzlich auf eine Idee.
Die Natur ist nämlich manchmal auch gerecht. Die sorgt nicht nur dafür, dass Männer schwanzgesteuert sind, die sorgt gleichzeitig auch dafür, dass schwule Männer schwanzgesteuert sind.
Manche zumindest.
Und wie es der Zufall will, kenne ich sogar einen von denen: Per-Pieter Klaussen. Spitzname Honzo. Mein Friseur. Honzo ist bei allem weibischen Herumgetütel ein Triebmensch, wie er im Buche steht, er ist ständig auf der Jagd nach neuen Eroberungen, zumindest, wenn man seinen Worten Glauben schenken möchte. Bisher habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht, sondern mir einfach nur seine Geschichten angehört und mich dabei bestens amüsiert. Weil es mich ja nichts anging, weil er nicht hinter Frauen her war, sondern hinter Männern. Moderne Märchen also, weit weg von meiner Welt, so wie in Sex and the City . Mir doch egal, was die in New York treiben. Tatsache ist aber nun mal, dass Honzo ständig auf der Suche nach Frischfleisch ist.
Fassen wir also zusammen: Gerhard will ständig Sex und ist dabei nicht wählerisch, wie wir mittlerweile wissen. Honzo will auch ständig Sex, und seinen Schilderungen nach ist auch er nicht wählerisch, solange es sich dabei nur um einen Mann handelt.
Warum also nicht jedem das geben, wonach er sucht?
Wobei man bei Gerhard berücksichtigen muss, dass er seinen Aussagen nach weit davon entfernt ist, Sex mit einem Mann haben zu wollen. Mehr noch, so wie er sich zu diesem Thema immer geäußert hat, gehört das sogar zu seinen größten Ängsten. Schwul zu wirken oder für schwul gehalten zu werden oder mit einem Homosexuellen eine Freundschaft einzugehen.
Oder gar mit einem Homosexuellen intim zu werden!
Das ist seine Achillesferse. Damit kann ich sein Ego so mühelos einstampfen wie ein Bulldozer eine weiche Pflaume.
Und möglich ist das alles nur, weil Männer ihre Triebe nicht unter Kontrolle haben, weil sie immer ihrer Wünschelrute nachlaufen – auch wenn die sie geradewegs ins Verderben führt.
»Wie wär’s mit einer schicken Welle?«
»Nein, nur die Spitzen schneiden.«
»Wenigstens eine Ansatzwelle?«
»Nee, nur die Spitzen.«
»Blondieren?«
»Danke, wirklich nur die Spitzen.«
»Du bist heute aber zickig. Nur gut, dass nicht alle Kunden so old-fashioned sind, sonst müsste ich glatt am Hungertuch nagen.«
Ich mustere ihn amüsiert. Honzo sieht nicht so aus, als hätte er zu irgendeiner Zeit Hunger gelitten. Im Gegenteil, als Frau wäre er ein echtes Rubensweib.
»Und, wie läuft’s so mit den Männern?«, wechsle ich das Thema.
Honzo verdreht sofort die Augen.
»Wie soll’s da schon gehen? Sie sind eben, was sie sind: Männer. Aber mir macht das längst nichts mehr aus«, behauptet er dann mit einer gehörigen Portion Trotz in der Stimme. »Ich nehme sie, ich genieße sie, und ich spucke sie wieder aus, so einfach ist das.«
»Also nichts Festes derzeit?«, frage ich in beiläufigem Tonfall.
»Ich und was Festes?« Er wedelt mit seinen ultralangen Fingernägeln herum, als hätte ich ihn gerade nach etwas völlig Abartigem gefragt. »Nee, Schätzchen, nicht für mich, die Zeiten sind vorbei. Wenn du einen Kerl an dich ketten willst, tut er dir ja doch nur weh. Daher meine Devise: Ich nehme sie, ich genieße sie, und ich spucke sie wieder aus«, doziert er erneut mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Wie läuft’s übrigens zwischen dir und deinem Rechtsverdreher?«, fragt er dann.
Womit wir endlich beim Thema wären.
»Tja, wie du schon gesagt hast, Honzo: Wenn du sie an dich ketten willst, tun sie dir ja doch nur weh.« Einen Moment lang schwappt die Enttäuschung in mir wieder hoch, und ich kämpfe gegen meine Tränen an.
Honzos weiblichen Instinkten entgeht das natürlich nicht.
»Ach Gottchen, sag bloß …!« Er schlägt sich erschüttert die Hand vor den Mund.
Ich bringe nur ein Nicken zustande.
»Dieses Ferkel! « Honzos Stimme wird ganz quietschig vor Empörung. »Hat er dich wegen einer anderen verlassen?«
Die Erinnerung an gestern macht mich noch ganz benommen, und ich schüttle traurig den Kopf.
»Nein, er hat mich nicht verlassen, aber das mit der anderen, das kommt leider hin. Genau genommen waren es sogar mehrere.«
Honzo starrt mich fassungslos an.
»Und wie bist du dahintergekommen?«
Ich berichte ihm stockend von den Ereignissen der letzten Tage.
»Da siehst du es«, stellt Honzo schließlich fest, »Kerle sind es nicht wert, dass man sich mit ihnen
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