Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind der Hölle

Kind der Hölle

Titel: Kind der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
Vom Netzwerk:
unsichtbare Wesen nicht abgeschüttelt, das aus der Finsternis in den Raum gekrochen war und ihn verfolgte.
    Es war ihm dicht auf den Fersen.
    Er versuchte, schneller zu rennen, doch so schnell und so weit er auch rannte, der Korridor nahm kein Ende. Er gabelte sich nur mehrmals, doch das gab Jared neue Hoffnung, entkommen zu können, wenn er nur oft genug abbog.
    Vor ihm tauchte jemand scheinbar aus dem Nichts auf und versperrte ihm den Weg.
    Schwester Clarence! Sie deutete anklagend auf ihn, und ihre Augen schleuderten Blitze.
    Jared machte kehrt und hetzte in die entgegengesetzte Richtung.
    Doch dort stand Vater MacNeill, brüllte Verwünschungen und hielt ein Kreuz hoch, so als müßte er den Teufel abwehren.
    Wieder wirbelte Jared herum, aber jetzt sah er sich einem riesigen Schwarzen gegenüber, der bösartig grinste und ihn an der Kehle packen wollte.
    Jared wich ihm aus und flüchtete in einen anderen Korridor, aber ganz egal, wohin er rannte – überall stellte sich ihm entweder die Nonne, der Priester oder der Schwarze in den Weg.
    »Hierher!« rief die Stimme seines Vaters. »Komm hierher!« Er gehorchte, aber sein unsichtbarer Verfolger kam trotzdem immer näher. Von der Stimme seines Vaters angefeuert, rannte Jared, bis seine Kräfte versagten. Seine Lunge brannte, sein Herz drohte zu zerspringen, er brach in die Knie und rang verzweifelt nach Atem. Von Angst und Erschöpfung überwältigt, begann er zu schluchzen.
    Er spürte, daß die Macht aus der Finsternis ihn eingeholt hatte und hungrig umkreiste, aber er war viel zu müde, um weiter Widerstand zu leisten. Was sollte er auch machen?
    Er konnte nicht wegrennen.
    Er konnte sich nirgendwo verstecken.
    Er konnte nicht entkommen.
    Jared ergab sich in sein Schicksal.
    Nach einer Sekunde, oder einer Ewigkeit, befahl ihm die Stimme seines Vaters: »Öffne die Augen, Jared!«
    Er tat, wie ihm geheißen, sah aber nichts außer jener trostlosen Schwärze, vor der er am Fenster geflohen war. Jetzt hatte sie ihn also doch verschlungen, und nie wieder würde ein Sonnenstrahl ihn erreichen. Doch inmitten der Finsternis glühten plötzlich zwei Lichter auf. Zunächst waren es nur winzige Punkte, aber sie kamen rasch näher und wurden immer größer, immer heller.
    Keine Lichter, sondern Augen!
    Glitzernde goldene Augen, die Pupillen nicht rund, sondern geschlitzt. Sie schienen von innen heraus zu leuchten, und in diesem Licht konnte Jared auch das Gesicht erkennen, das zu den unheimlichen Augen gehörte.
    Es war dunkel, mit Schuppen bedeckt, und aus dem Mund, einem gähnenden Spalt unter schleimverklebten Nasenlöchern, hing eine lange glänzende Zunge. Hypnotisiert von diesem schaurigen Anblick, lag Jared regungslos da.
    Die Fratze beugte sich über ihn, die Zunge schnellte vor, berührte seine Wange, glitt über sein Kinn, über seinen Hals.
    Er hatte das Gefühl, als würde seine Haut von einer Rasierklinge aufgeschlitzt, doch aus diesen Wunden floß kein Blut. Statt dessen drang Kälte in seinen Körper ein.
    Die Zunge leckte ihn von Kopf bis Fuß ab, und durch jede seiner Poren sickerte Eiseskälte und breitete sich in seinem Innern blitzartig aus, wie eine wild wuchernde giftige Pflanze. Jared wußte, daß er sie nicht ausreißen konnte, und zum erstenmal, seit der Alptraum begonnen hatte, öffnete er den Mund und wollte schreien.
    Doch es war schon zu spät.
    Das Eis war bis zu seinem Herzen vorgedrungen, und die Finsternis hatte von seiner Seele Besitz ergriffen.
    Wie von einem elektrischen Schlag getroffen, setzte Kim sich ruckartig, mit verkrampften Muskeln, im Bett auf und schüttelte den Schlaf von sich ab. »Jared ?« hörte sie sich rufen. »Jared, was ist los?«
    Warum habe ich das gemacht? schoß es ihr durch den Kopf, noch bevor ihre Worte im Zimmer verhallt waren. Sekundenlang saß sie regungslos im Dunkeln und spitzte die Ohren.
    Nichts.
    Nichts außer einer Eule, die irgendwo in der Ferne schrie, zirpenden Insekten, knarrendem Gebälk und dem beruhigenden Ticken des altmodischen Weckers auf dem Nachttisch.
    Kim konnte sich auch nicht an irgendeinen Alptraum erinnern. Sie hatte tief geschlafen, und im nächsten Moment war sie hellwach gewesen. Hellwach und in tiefer Sorge um Jared.
    Das Zwillings-Phänomen.
    Aber auch das ergab keinen Sinn. Warum sollte so was mitten in der Nacht passieren? Sie griff nach dem Wecker und hielt ihn ins schwache Mondlicht, das durch ihr Fenster einfiel. Kurz nach halb vier. Normalerweise waren Jared und sie wach

Weitere Kostenlose Bücher