Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)
seinen erklärten Zielen, vorausgesetzt, sie waren echt? Ich wusste es nicht. Aber irgendwie passte es natürlich doch.
»Gibt es eine Möglichkeit, alle Beiträge des Generals aufzulisten?«
»Das dürfte kein Problem sein.« Renton lud die Seite hoch. »Ziemlich riskant, oder? Für Miller, meine ich. Da spricht ihn irgendjemand aus heiterem Himmel an, um ihm einen solchen Vorschlag zu unterbreiten, und er nimmt das einfach für bare Münze?«
»Er sagt, der General hat ihm fünftausend im Voraus bezahlt, ohne weitere Bedingungen. Damit wollte er zeigen, dass er es ernst meinte, aber er drückte sich sehr vorsichtig aus. Miller hätte einfach das Geld nehmen und gehen können, keine Fragen, keine Verstöße gegen das Gesetz. Aber wenn er wirklich jemanden umbrachte, hätte die Polizei ein großes Problem. Und der General hätte bewiesen, dass es keine Falle war.«
Renton tippte etwas in die Tastatur. »Ging das per E-Mail?«
»Nein, online über diese Seite«, sagte ich. »Über eine private Nachricht. Wir haben Millers Passwort. Das Problem ist nur, dass er sagt, er hätte alle Nachrichten auf Wunsch des Generals gelöscht.«
»Na großartig.«
»Können Sie die wiederherstellen?«
Renton schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht. Wenn Sie eine Datei von einem Laptop löschen, können wir die in den meisten Fällen wiederherstellen. Aber diese Mitteilungen werden online gespeichert. Nicht lokal. Sie sind Teil der Seite. Einmal weg, immer weg.«
»Verdammte Scheiße.«
»Genau. Aber hier haben wir ihn. Der General.«
Auf dem Bildschirm erschien eine Liste der Suchergebnisse nach dem Usernamen, die er ausgeführt hatte: alle Beiträge von »Der_General«. So viele waren es gar nicht. Und sie lauteten alle mehr oder weniger gleich. Variationen von » Großartige Arbeit! Bin schon ganz gespannt auf die nächsten!«
» Wie es aussieht, hat er nicht einen Film selbst hochgeladen«, sagte Renton. »Er hat lediglich seine Bewunderung für die Bilder und Videos anderer zum Ausdruck gebracht.«
»Sich eingeschmeichelt.«
Das passte zu dem, was ich darüber dachte. Wahrscheinlich war Miller nur einer von vielen Usern, die der General anfangs angesprochen hatte. Vielleicht hatte er sich gedacht, dass sich auf dieser Seite leicht die Sorte Männer finden ließ, die er brauchte, und hatte damit nicht falschgelegen.
»Woher kommt er?«, wollte ich wissen. »Gibt es Hinweise?«
Renton öffnete das Profil des Generals.
»Nein. Er hat keine Informationen hinterlassen. Keine persönlichen Details, kein Herkunftsland. Aber das würde uns sowieso nicht weiterbringen.«
»Warum nicht?«
»Die Leute können eintragen, was sie wollen. Die Seite macht den Ort nicht direkt an der IP-Adresse fest oder so. Sonst könnte keiner der User hier behaupten, dass er aus ›den Tiefen der Hölle‹ kommt, was die Hälfte von ihnen tut.«
Ich sah auf den Bildschirm.
»Gibt es eine Möglichkeit, auf den Account zuzugreifen?«
Die Antwort wusste ich bereits.
»Nicht auf seinen, nein.« Renton schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Aus demselben Grund können wir auch nicht auf Millers Account zugreifen. Die Betreiber der Seite würden niemals zustimmen, selbst wenn wir sie festnageln könnten. Wie lautet Millers Passwort?«
Ich gab es ihm, und er loggte sich als »Jimmy82« ein. Was das anbelangte, hatte Miller jedenfalls die Wahrheit gesagt. Renton klickte auf ein paar Links und ließ sich den Nachrichtenverlauf anzeigen.
»Leer.«
Dann entsprach vermutlich auch das der Wahrheit.
Renton lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Von so etwas habe ich noch nie was gehört.«
»Nein.«
»Ist Ihnen schon mal der Verdacht gekommen, dass er Sie nach Strich und Faden belügt? Sich das alles nur ausgedacht hat?«
»Ja.«
Miller wurde geschnappt, und er wusste, dass er aus der Sache nicht mehr rauskam. So stolz, wie er auf die Morde zu sein schien, wäre es – psychologisch gesehen – durchaus plausibel, die Schuld dafür jemand anderem in die Schuhe zu schieben. Oder vielleicht spielte er auch nur mit uns, ohne dass ich mir im Augenblick einen Reim darauf machen konnte.
»Mir scheint das viel zu ausgeklügelt zu sein«, wandte ich ein. »Eine solche Geschichte würde er sich nicht einfach so ausdenken, und der Aufwand, sie sich vorher auszudenken, wäre ihm sicher zu hoch.«
Und dann die Sache mit den Briefen. Millers Reaktion auf sie war nicht gespielt. Er war wirklich verstört gewesen, und so gefährlich und brutal er auch
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