Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)
»Die Kinder in der Schule hätten genau das Gleiche getan. Und, glaub’s mir, ich bestimmt auch. Du hast genau das Richtige gemacht.«
»Zuerst habe ich aber auf ihn geschossen.« Billy beugte sich plötzlich mit großem Nachdruck vor. »Ich habe auf ihn geschossen.«
Sein Vater schnaubte wieder. »Mit deinem Pfeil und Bogen?«
»Mr. Martin«, fuhr ich ihn an. »Würden Sie bitte auf der Stelle Ihr verdammtes Maul halten?«
Der Mann gaffte mich mit offenem Mund an.
»Ich meine es ernst. Halten Sie Ihr verdammtes Maul.«
Laura stupste mich mit der Hand ans Knie. Ich lehnte mich zurück und überließ ihr für einen Augenblick die Gesprächsführung.
»Mr. Martin«, fuhr sie fort. »Was Ihnen mein Kollege sagen will, ist, dass Billy seine Aussage unbedingt frei von allen Zwängen machen muss.«
Ich wollte sie unterbrechen, um zu bekräftigen, dass der Typ sein verdammtes Maul halten sollte, aber Laura tippte mir wieder kurz ans Knie.
»Ich persönlich finde, dass er sehr tapfer war.« Laura lächelte Billy an. »Dass du weggelaufen bist, war, wie Detective Hicks schon sagte, sehr klug. Glaub mir, es war gut so. Aber was geschah dann?«
»Ich bin ein ganzes Stück gerannt. Hab mich nicht getraut, mich umzusehen, bis ich zu dem Bach kam.«
»Und was hast du da gesehen?«
»Nichts.« Billy sah erbärmlich aus. »Einfach nur Wald. Er hatte mich gar nicht verfolgt.«
Billys Vater hatte offensichtlich eine Zeit gebraucht, bis mein Anschnauzer bei ihm angekommen war. Jetzt löste er die Arme, beugte sich vor und versuchte, seiner Autorität Geltung zu verschaffen.
»Hören Sie …«
» Also gut«, flötete Laura. »Ich glaube, das war’s für den Augenblick. Wir hören jetzt hier auf. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
Sie warf einen Blick zur Kamera in der Ecke, als wir uns von unseren Plätzen erhoben. Die Spezialistin für Kinder würde sich um die Formalitäten kümmern. Laura und ich gingen zum Ausgang.
Bei der Tür angekommen, zögerte ich, ging zurück zu Billy Martin und kniete vor ihm nieder, ohne seinen Vater weiter zu beachten.
»Billy«, flüsterte ich. Die Befragung war vorbei, und ich wollte nicht, dass die Kamera die Lüge aufzeichnete, die ich ihm nun erzählen wollte. »Ich möchte, dass du etwas weißt.«
Er sah mich nervös an. »Was denn?«
»Eigentlich darf ich es dir gar nicht sagen«, fuhr ich fort. »Aber nur unter uns beiden. Du hast ihn getroffen. Und zwar so, dass er dir nicht nachrennen konnte.«
Er starrte mich an.
»Wirklich?«
»Ja, du hast ihn getroffen.« Ich lächelte. »Gut gemacht. Und deshalb bist du ihm entwischt.«
26
Sehr geehrter Detective Hicks,
wie ich feststelle, haben Sie den Erhalt meines ersten Briefes nicht bestätigt, auch wenn ich eine prompte Antwort gar nicht erwartet hatte. Ich war viel zu vorsichtig, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, diesen Brief zurückzuverfolgen, was Sie sicher selbst auch schon bemerkt haben. Sie werden feststellen, dass ich auch diesem Brief wieder große Sorgfalt gewidmet habe, obwohl Sie gewiss verpflichtet sein werden, eigene Nachforschungen anzustellen. Das ist einer der Gründe, weshalb ich Ihnen weiterhin einen Schritt voraus sein werde. Sie haben zu viel zu tun, während ich nur eine Aufgabe habe. Mein Code entwickelt sich bisher exakt nach Plan.
Allerdings haben Sie der Presse berichtet, Sie hätten keine Nachricht von mir erhalten. Wenn Sie »Details zurückhalten« wollen, habe ich dafür Verständnis. Vielleicht ist der Grund aber der, dass Sie nicht wissen, ob ich der Mann bin, den Sie suchen. Für den Fall lege ich diesem Brief einen Beweis bei, der auch Sie überzeugen dürfte. Ich käme sehr ungern auf die Idee, dass Sie mich nicht ernst nehmen. Ganz offen gesagt, ich will Sie bezwingen.
Erlauben Sie mir daher, Ihnen in angemessener Weise behilflich zu sein.
Die Menschen, die bisher gestorben sind, bedeuten mir nichts. Sie wissen inzwischen, dass es Fremde für mich sind, dass sie mir persönlich nichts getan haben und keine erkennbare Verbindung zu mir aufweisen. Aber ich sage Ihnen noch etwas. Der Tod dieser Menschen ist bedeutungslos. Die Morde sind vollkommen belanglos für mich. Mich interessiert allein das Muster unter der Oberfläche. Erraten Sie es? Nur darauf kommt es an.
Warum dann die Morde? Weil der Einsatz sehr hoch ist, was Sie möglicherweise nicht verstehen. Ich will, dass sich die hellsten Köpfe damit befassen, meinen Code zu knacken. Die Polizei auf ihrem eigenen
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