Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)
hoffe, ihr seid heute gut zueinander.«
Marie lächelte wieder. »Bestimmt.«
»Hast du heute etwas Besonderes vor?«
»Nein, nur ein paar Kleinigkeiten.«
»Gut.« Er sieht besorgt aus. »Übertreib’s nicht.«
»Versprochen.«
Sie mag es, wenn er das Baby beim Namen nennt. Die Schwangerschaft war nicht geplant, und sie brauchten eine Weile, um sich mit dem Gedanken vertraut zu machen. Tony länger als sie. Anfangs hatte er immer nur »das Baby« gesagt, und selbst als die Ultraschallaufnahme Klarheit darüber gebracht hatte, dass es ein Junge war, als sie nach einem Namen gesucht und sich schließlich entschieden hatten, tat er sich schwer mit Jake. Ihr fiel es leichter, denn sie konnte ihn spüren, was Tony nicht vergönnt war. Vor ein paar Wochen war ihr der geniale Einfall gekommen, ein Heim-Ultraschallgerät zu kaufen. Ein einfaches, nicht zu teures Gerät, durch dessen Einsatz sich jedoch einiges geändert hatte. Tony hörte das Herz seines Sohnes richtig schlagen und nannte ihn danach nur noch selten »das Baby«, sondern immer Jake.
Tony leert die Tasse in einem Zug.
»Verbrenn dich nicht, Schatz.«
»Keine Sorge. Mein Mund ist aus Asbest.«
Er haucht ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie neigt den Kopf nach hinten, und er gibt ihr noch einen Kuss direkt auf den Mund. Während sie sich umarmen, strampelt Jake wild in ihrem Bauch.
»Mein ungeborener Sohn tritt mir schon gegen die Brieftasche.«
»Daran wirst du dich gewöhnen müssen.«
»Ja.«
Das ist ein wunder Punkt, denn sie weiß, dass das seine größte Sorge ist. Aber einen wunderschönen, beruhigenden Augenblick lang verharrt er in der Umarmung, bevor er sich löst und sich seinen Mantel schnappt.
»Ich muss los, sonst komme ich zu spät. Und du passt auf dich auf, okay?« Er zog die Stirn kraus. »Ich meine das ernst.«
»Ich auch, mach dir keine Sorgen. Ich werde brav sein.«
»Das ist nun auch wieder nicht nötig. Du sollst einfach nur vorsichtig sein.«
Marie streckt ihm die Zunge heraus.
»Ich liebe dich«, sagt er.
»Ich dich auch.«
Mit diesen Worten ist er schon durch die Tür und zieht sie hinter sich zu. Sie hört ihn den Weg entlanglaufen und das Tor, wie es hinter ihm zufällt.
Marie atmet erleichtert auf. Natürlich mag sie es, wenn Tony bei ihr ist, wenngleich sie sich gut an den Gedanken gewöhnen könnte, mit Jake allein zu Haus zu sein. Es ist nun ihr eigenes kleines Reich. Der Mutterschutz hat gerade erst begonnen, und es fühlt sich gut an. Keine Überstunden mehr. Das Haus für sich allein. In ein paar Wochen, denkt sie, fällt dir wahrscheinlich die Decke auf den Kopf. Aber in ein paar Wochen wirst du nicht genügend Zeit haben, etwas anderes zu tun, als dich um Jake zu kümmern. Und sie kann es nicht erwarten.
Marie werkelt noch ein wenig herum, räumt das Geschirr weg, das sie am Abend vorher abgewaschen hat, und spült, was sie zum Frühstück benutzt hat. Dann nimmt sie die Kanne und gießt sich einen Kaffee ein. Sie nimmt Tonys Tasse. Eine darf sie – das kann nicht schaden, oder? In dem Moment öffnet sich die Haustür, und der Mann mit der Sturmhaube kommt herein.
31
I n den zwei Tagen, seit ich auf dem Friedhof mit Stephen Henderson, dem Gärtner, gesprochen hatte, hatte das Rot seiner Gesichtshaut an Kraft zugelegt, als sei sie entzündet. Ob von der Arbeit draußen in der Sonne oder vom Trinken, die letzten achtundvierzig Stunden mussten anstrengend gewesen sein.
»Ich hätte mir vermutlich nicht viel dabei gedacht.« Er kratzte sich unter der blauen Baseballkappe an der Stirn. »Jedenfalls nicht, wenn Sie mich nicht ausdrücklich gebeten hätten, mich ein wenig umzutun.«
»Das haben Sie gut gemacht«, sagte ich. »Wir sind Ihnen sehr dankbar.«
Ich stand mit Henderson und Nigel Anders, dem Schichtleiter der Friedhofsgärtner, neben Derek Evans’ Grab. Anders war ein junger Mann in einem ordentlichen, schmal geschnittenen grauen Anzug, mit schwarzem, in einem Bogen zur Seite gegelten Haar und sah aus, als müsste er sich gleich übergeben.
» So etwas ist hier noch nie vorgekommen«, sagte er. »Ich meine, hier und da ein bisschen Vandalismus, schon. Aber so etwas noch nie.«
Ich nickte.
»Glauben Sie, dass das etwas zu bedeuten hat?«
Die Antwort darauf ersparte ich mir. Ja, natürlich.
Ich sah auf die Überreste des Grabes hinab. Auf Kosten der Gemeinde billig beigesetzt, bestand der Grabschmuck aus nichts anderem als einem schlichten Holzkreuz mit einem Namensschild auf der senkrechten
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