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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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Fehlen dieser meteorologischen Gunst empfanden, war bald vergessen, denn nachdem der Regen aufgehört hatte, war kaum eine Stunde vergangen, als wir endlich Menschen sahen.
    Ich war Guy einen Sprung voraus und wollte seine Landung abwarten, bevor ich den nächsten tat, doch er landete kopfschüttelnd neben mir und winkte aufgeregt. »Warte, Sunshine!« rief er. »Ich glaube, ich habe Bloomenkinder gesehen! Oder jedenfalls menschliche Gestalten.«
    »Wo?«
    Er deutete nach Südwesten. »Höchstens vierhundert Meter entfernt«, sagte er. »Bei einer gelbrot gestreiften Blüte. Laß uns vorsichtig weitergehen; vielleicht sind sie ebenso scheu wie die Tiere des Waldes.«
    Wir sprangen also in kurzen, flachen Sätzen von Blatt zu Blatt, statt uns mit voller Kraft weit hinauszutreiben. Bald konnten wir drei menschliche Gestalten sehen, in zerlumpte Kleidung gehüllt, aber immerhin bekleidet, die um eine große, offene, gelbe Blüte mit rot gemaserten Blütenblättern und einer Traube kurzer, dicker, schwarzer Stempel lagerten.
    »Wie sollen wir weiter vorgehen…?« sagte Guy nachdenklich.
    Ich zuckte die Achseln. »Wenn wir plötzlich kommen, erschrecken sie vielleicht, und eine heimliche Annäherung sieht nach einem Hinterhalt aus, also laß uns einfach offen und langsam auf sie zugehen, damit sie uns als die arglosen, freundlichen Menschen erkennen, die wir sind.«
    Wir traten aus unserer Deckung und schlenderten kühn und offen zu den Blättern der gelben Blume hinüber. Statt zu fliehen oder an unserem Kommen Anstoß zu nehmen oder uns Grüße entgegenzurufen, schienen uns die drei Menschen völlig zu ignorieren, sogar noch, als wir schon den Rand ihrer Blume erreicht hatten.
    Zwei Männer und eine Frau, alle glänzend vor Fett, ruhten gleichmütig auf den Blütenblättern, die Rücken an die schwarzen Stempel gelehnt, von denen sie lässig die krümeligen schwarzen Pollen pflückten, um sie ohne Rücksicht auf irgendwelche Tischmanieren in den Mund zu stopfen. Die Kleiderfetzen auf ihren korpulenten Körpern zeigten deutlich, daß sie einst Bürger der Zivilisation gewesen waren, doch ihre leeren, verträumten Augen und ihr träges, schläfriges Grinsen sprachen nicht gerade von aufgeschlossenem Bewußtsein.
    »Wir grüßen euch, Bloomenkinder«, sagte ich schließlich, um irgendwie eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Die Antwort bestand darin, daß sie mit mäßigem Interesse ihre getrübte Wahrnehmung auf uns richteten, was heißen soll, sie ließen sich herab, uns anzusehen. Dann pflückte die Frau eine Handvoll Pollen vom Stengel hinter ihr und bot sie uns mit einer ziemlich gleichgültigen Geste an.
    »Mangia…«, sagte sie mit einer seltsamen Stimme, als wären es die ersten Worte, die sie seit Wochen geäußert hatte.
    »Nein, danke«, erwiderte Guy unbehaglich. »Wir haben schon gegessen.«
    Der dickere der beiden Männer streichelte den Stempel neben ihm mit einer Geste, die unter den Umständen recht obszön wirkte.
    Guy und ich blickten uns an, von diesen unappetitlichen Höhlenmenschen abgestoßen. »Äh… seid ihr schon lange hier…?« fragte Guy in unverändertem Gesprächston, dessen Normalität der Situation überhaupt nicht angemessen schien. Aber welche Gesprächsführung eignete sich denn nun für solche Geschöpfe?
    »Wie… lange…«, murmelte die Frau monoton, als versuchte sie erfolglos, eine Zeitvorstellung zu ergründen, die ihr schon lange entfallen war. Die drei wechselten träge, verwirrte Blicke.
    »Bitte, gibt es noch andere Menschen hier?« fragte ich.
    »Menschen…«
    Einigermaßen verzweifelt deutete ich nacheinander auf die drei, Guy und mich selbst und zählte mit den Fingern ab. »Menschen«, erklärte ich. »Hier. Fünf.« Ich schwang den anderen Arm in einem weiten Bogen herum, wie um den Wald in der Nähe zu umfassen. »Mehr? Mehr Menschen?«
    Diese Geste schien endlich den Duftnebel teilweise zu durchdringen. »Menschen…«, sinnierte der dünne der beiden Männer. Er hob eine Hand und starrte sie einen Augenblick blöde an. Dann begann er die Finger einzeln zu bewegen. Nach einer Weile hob er die andere Hand und begann auch mit ihren Fingern zu wackeln. Bald wackelten alle drei mit allen Fingen, kicherten und sangen: »Menschen… Menschen… Menschen…«
    »Bei anderen Blumen?«
    Sie hörten zu gestikulieren auf und starrten mich benebelt an, als wären das Fingerwackeln und das Nachdenken über einen zweiten Begriff unmöglich gleichzeitig zu leisten.
    »Blume«,

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