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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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einzige Thema getroffen hatte, das das Interesse dieser Zombies einigermaßen erwecken konnte, oder ob es nur meine Lautstärke war, die rasch rollenden Kadenzen, die reine Leidenschaft, die ich in jede gebrüllte Silbe zu legen versuchte – auf jeden Fall war jetzt jedes Auge auf mich gerichtet. Einige Insassen erhoben sich sogar langsam auf die Füße und schlenderten zu mir herüber.
    »Ihr seid Insassen einer Nervenklinik geworden, doch ich wurde ein völlig bewußtseinsloses Bloomenkind, und man konnte nicht einmal mehr sagen, daß ich einen Geist besaß«, brüllte ich ihnen in die Gesichter. »Doch mein Geist erhob sich aus eigener Kraft, um wieder dem Lied des Flötenspielers zu folgen, dem wir alle einmal folgten – vom Affenleben zum Menschendasein. Und genauso müßt ihr jetzt eure Geister aufrichten!« bellte ich sie an; inzwischen genoß ich meine Tirade. Doch was ich jetzt brauchte, war eine Antwort.
    »Seht die Sonne, die ewig über dem Bloomenveldt eures Geistes aufgeht, meine pauvres Bloomenkinder!« rief ich jetzt etwas kunstfertiger. »Seht das Gesicht des Flötenspielers, dem wir aus den Tiefen des Waldes der Unvernunft gefolgt sind!«
    Vraiment, die Worte sprudelten wie bei einem Teppichhändler, und doch beobachtete ein anderer Teil von mir die Vorgänge mit abschätzender Klarheit und nicht geringer hämischer Befriedigung; denn ich hatte mir den nächsten Schritt schon zurechtgelegt.
    »Folgt der Sonne, folgt dem Gelb, folgt dem Flötenspieler, folgt der Zauberstraße!«
    Ich begann zu singen.
    »Folgt der Sonne, folgt dem Gelb, folgt dem Flötenspieler, folgt der Zauberstraße…«
    Die meisten Insassen in meiner unmittelbaren Umgebung waren jetzt auf den Beinen, und in mittlerer Entfernung sah ich weitere über die Wiese zur Quelle des Aufruhrs herübergeschlendert kommen.
    Sie begannen sich im Rhythmus meiner Worte zu wiegen. Wie eine maestra der Musik begann ich im Takt die Arme zu bewegen, hielt die Handflächen hoch und forderte sie auf, einzufallen.
    Die erwähnten Katatoniker ließen sich zu nicht mehr anregen, als mit den Köpfen zu nicken, doch jene, die vor ein paar Minuten noch in ihrem wilden Geplapper gefangen gewesen waren, ließen sich durch meine Bemühungen und die allgemeine Unterstützung derselben leicht bewegen, den Gesang aufzunehmen.
    »Folgt der Sonne, folgt dem Gelb, folgt dem Flötenspieler, folgt der Zauberstraße.!«
    Schließlich, als ich ein ziemlich wildes Gesinge in Gang gebracht hatte, schien mir nichts weiter übrigzubleiben, als meine Gypsy Joker auf einer Mardi-Gras-Parade durch den Garten zu führen. Je ne sais pas, was mich ritt, daß ich diesen gemeinen Streich so weit trieb – auch wußte ich nicht, wie weit ich zu gehen bereit war –, denn kaum war ich von der Bank gesprungen und immer noch singend ein paar Schritte weitergetanzt, da kam Urso mit mindestens einem halben Dutzend anderer Mitarbeiter der Klinik im Schlepp über die Wiese auf mich zugeschnauft.
    »Hör sofort mit diesem Theater auf!« rief er, ebenso vor Zorn wie vor Anstrengung rot angelaufen. »Quick, quick, quick, bringt alle auf die Zimmer zurück!« befahl er seinem Gefolge, indem er wild mit einer Hand gestikulierte und mich mit der anderen zum Hauptgebäude fortzerrte. Er sprach erst wieder mit mir, als er mich ein gutes Stück vom Tumult fortgezogen hatte, so daß mein schlimmer Einfluß nicht mehr wirkte.
    »Was bilden Sie sich eigentlich ein?« sagte er wütend. »Was haben Sie sich dabei gedacht?«
    Ich entzog mich etwas hochmütig seinem Griff. Ich lächelte ihn überlegen an, fühlte mich sehr selbstzufrieden; denn die Antwort auf seine Frage war wundervoll klar und einfach.
    »Ich bin Sunshine Shasta Leonardo, Geschichtenerzählerin«, erklärte ich ihm mit süßer Unschuld. »Und naturellement muß ich meine Kunst auch ausüben.«
    In Urso Moldavia Rashid fand eine eigenartige Veränderung statt, denn während an der Oberfläche sein Zorn ungebrochen schien, spürte ich dahinter eine unbestimmte Befriedigung, die ihm einen Teil seiner Glaubwürdigkeit nahm. »Das Clear Light ist kein öffentlicher Platz!« schnappte er mit nicht ganz überzeugender Impulsivität zurück. »Wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß dies ein Sanatorium ist! Wir können nicht zulassen, daß Sie unsere armen Patienten auf so ungehörige Weise aufreizen!«
    »Was schlagen Sie dann vor?« fragte ich. »Soll ich mich weiter als Objekt für endlose, nutzlose Befragungen zur Verfügung stellen,

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