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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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die Tölpel dieser provinziellsten aller Planetenhauptstädte dennoch neue Geschichten aus einer größeren Metropole sein? Hatte ich nicht sogar eine großartige Geschichte zu erzählen, die mir allein gehörte und die für die Bewohner dieses Planeten vielleicht sogar aufregende Bezüge zu ihrer Umwelt besaß? Vraiment, hatte ich nicht mitten im Bloomenveldt mit der Kraft des Wortes überlebt? War ich nicht bereit gewesen, die Opfer des psychischen Desasters anzustacheln, nachdem sie aus diesen wenig versprechenden Straßen herangetrieben waren, um in der Nervenklinik dahinzuvegetieren? Mußte ich noch Angst vor Lampenfieber haben? Hatte ich eine bessere Möglichkeit?
    Ich zuckte die Achseln. »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, n’est-ce pas?« sagte ich fast fröhlich.
    »Bon!« rief Urso munter. »Und wenn Sie meinen Vorgriff auf die Entscheidung vergeben wollen, von der ich wußte, daß Sie sie schließlich treffen würden – ich möchte Ihnen eine Belohnung in Form dieses nützlichen Geschenks anbieten.«
    Er zog einen tragbaren Chip-Umbucher aus seinem Schreibtisch; es war eins der Dinger, die bei privaten Glücksspielen verwendet werden.
    »Obwohl ich mich nur flüchtig mit der Angelegenheit beschäftigt habe, gehe ich wohl nicht fehl in der Annahme, daß Geschichtenerzähler üblicherweise mit sogenanntem Ruegelt bezahlt werden – mit Münzen, die jeweils eine Krediteinheit repräsentieren…«
    Mein Mut sank plötzlich wieder. »Ich hatte ganz vergessen, daß Ruegelt in Ciudad Pallas unbekannt ist«, stöhnte ich. »Wie soll ich dann den Bürgern dieser Stadt klarmachen, daß sie mich mit Münzen überschütten sollen, wenn sie gar keine haben?«
    »Mit diesem Gerät, das Ihnen zur Verfügung zu stellen ich mir die Freiheit nehme«, sagte Urso. »Der Spender schiebt seinen Chip in einen Schlitz, der Empfänger in den anderen, dann wird die zu übertragende Summe gewählt, und der Handel ist abgeschlossen.«
    »Das scheint im Vergleich zum Werfen von Münzen ein ziemlich umständliches Verfahren«, sagte ich unsicher; aber dies war natürlich die normale Methode, auf den Menschenwelten einen Handel abzuschließen, und das Ruegelt war nur ein Zugeständnis an die Demimonde auf den kultivierteren Planeten.
    »Kommen Sie, kommen Sie, das sind doch nur Ausflüchte, oder?« schalt mich Urso in einem onkelhaften Ton. »Jenen Geistern, die vor jedem Wagnis fliehen, bietet dieses alles andere als vollkommene Universum ein Übermaß an Entschuldigungen für ihre Trägheit, no?«
    Abermals konnte ich mich nicht des Gefühls erwehren, daß er ebenso seinem eigenen Interesse diente, wie er mir einen guten Rat gab.
    »Touché«, stimmte ich dennoch zu, denn was immer Urso sonst sein mochte, wie auch immer er mich manipuliert hatte, um mich zu diesem Punkt zu bringen – Urso Moldavia Rashid, ob Gauner oder Ehrenmann, hatte mich auf die Zauberstraße zurückgeführt.
     
    Und so machte ich mich am nächsten Nachmittag unter einem bedeckten Himmel mit dem Vielfarbigen Tuch als Halstuch und dem Chip-Umbucher in der Tasche auf den Weg.
    Nachdem ich monatelang keinen Fuß mehr auf städtische Straßen gesetzt hatte, fand ich die von Ciudad Pallas zugleich beängstigend und seltsam beruhigend. Denn während ich mich nun zwischen mehr Menschen bewegte, als ich seit Wochen an einem Ort gesehen hatte, und während das regelmäßige Gitternetz der Straßen, die harten geometrischen Formen und ungeschmückten Fassaden der Gebäudeblocks, sogar das Grau des Betons unter meinen Füßen, während dies alles verdorben, leblos und künstlich erschien, war das Wandern in dieser Umgebung etwas ganz anderes als der Weg durch die psychischen Gefahren des Bloomenveldts, und Ciudad Pallas wirkte im Vergleich zu meinen Erinnerungen an das große Edoku bescheiden und alltäglich.
    Und während ich vielleicht versucht war, mich als Unschuld vom Lande zu betrachten – oder, schlimmer, als Insassin eines Sanatoriums, die ihren ersten zitternden Schritt in die Welt tat –, nahm mir der Anblick der Bürger von Ciudad Pallas bald jede übermäßige Bescheidenheit.
    Denn ich sah kein Gedränge extravagant gekleideter und gefärbter Edojin, die mit dem Selbstbewußtsein und der lässigen Anmut von Menschen schritten, die sich für die kulturelle Krone der Schöpfung hielten; nicht einmal so überhebliche Gören wie die Gypsy Joker, die mir damals, als Neuling in den öffentlichen Bedürfnisanstalten, so einschüchternd vorgekommen

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