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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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schienen sich in der ersten Brise dieser neuen Atmosphäre fast unmerklich zu weiten. Es schien, als blickten seine Augen über das Meer, und mit etwas gutem Willen konnte ich mir vorstellen, daß ein feines Lächeln um seine Lippen spielte, als er nach diesem langen Schweigen noch einmal sprach.
    »Ich erinnere mich…«, sagte die übernatürliche Stimme, die meine Aufmerksamkeit so gefesselt hatte, als sie sich das letztemal erhoben hatte. »Ich erinnere mich an einen Tag wie diesen vor langer Zeit, als die Sonne über der Bucht von San Francisco schien… ich erinnere mich an die Hügel im großen Edoku, wo es immer Morgen war, als ich noch der König der Gypsies und der Prinz der Joker war… ich erinnere mich, wie ich aus einem jahrhundertelangen Schlaf erwachte, um auf einer neuen Welt die Sonne aufgehen zu sehen und die lebendige Atmosphäre eines neuen Planeten zu atmen…«
    Quelle chose – welches neue Geheimnis des Laders war das? Denn während die ersten Worte mit dieser fremden, unpersönlichen Stimme gesprochen wurden, die mich an den genetischen Geist der kollektiven Erbmasse unserer Art denken ließ, wurden die folgenden Erinnerungen von drei völlig unterschiedlichen Stimmen ausgesprochen – von dem Pater Pan, den ich gekannt und geliebt hatte, und von zwei unbekannten Personen. Doch während jede dieser Stimmen so selbständig und menschlich erschien wie die Erinnerungsbilder, die sie hervorriefen, war der Gesamteindruck der eines einzigen, einheitlichen Geistes, der sich auf vielfältige Weise ausdrückte.
    »Ich erinnere mich an die Arkologie Goldberg und an den Tag, als wir unsere Vermögen zusammenlegten, um unsere Bestimmung zu kaufen… ich erinnere mich an einen Dienstag an einem sonnenbeschienenen Uferdamm… ich erinnere mich an die Mardi-Gras-Parade…«
    Bilder strömten aus dem Mund des alten Mannes, der über die Hügel zum Sonnenaufgang über der Bucht von Florida blickte, und jedes Bild wurde von der Stimme einer anderen Inkarnation begleitet, und jede sang von einer zärtlichen Erinnerung an die ewige Zauberstraße.
    Doch irgendwie schienen all diese Fragmente verschiedener Sprachen Verkörperungen ein und desselben Lingo zu sein, als feuerte ein Geist tief unter der Großhirnrinde alles andere als zufällige Erinnerungsbrocken ab, um zu versuchen, seine Absicht ins Reich der bewußten Sprache durchsickern zu lassen.
    Vraiment, man könnte ebensogut sagen – und die Wissenschaftler würden es zweifellos behaupten –, daß da keineswegs ein kollektiver Urgeist der Gene durch die Muster der freigesetzten Erinnerungen sprach, sondern daß die Worte, die wir alle vernahmen, vielmehr die Ordnung unserer eigenen Subjektivitäten waren, die wir der Stimme des zufälligen Chaos auferlegten, das aus einem bewußt aufgegebenen Gehirn plapperte.
    Wer aber könnte sagen, ob dies nicht ein und dasselbe ist, denn certainement beobachten wir auch auf den tiefsten Ebenen der Existenz, wie sich solche Ordnung aus dem subatomaren Chaos erhebt; und so entstand auch der Makrokosmos durch die spontane Explosion von Sein und Ordnung im vollkommenen Nichts einer dimensionslosen Leere. Wer könnte sagen, daß das Chaos selbst nicht das letzte Prinzip ist, auf dem jede Ordnung fußt?
    Da mir auf dieser Genze zwischen der atomaren Realität und der Metaphysik die wissenschaftliche Sicherheit fehlt, will ich nur sagen, daß ich nun bemerkte, daß etwas, nennen Sie es, wie Sie wollen, versuchte, durch die zahlreichen Bilder zu sprechen, die aus den verstärkten und getrennten Erinnerungsspeichern von Pater Pans sterbendem Gehirn sprudelten.
    Je ne sais pas, ob die Kinder des Glücks, die sich im offenen Pavillon sammelten, dasselbe sahen oder ob jede beliebige Äußerung ihres schweigenden Orakels ausgereicht hätte, um ihre Ehrfurcht und Aufmerksamkeit zu erwecken. Wie dem auch sei – jene, die bereits am Ort des Geschehens waren, fielen in staunendes Schweigen, und eine nonverbale Mitteilung schien sich durch den Rest des Lagers auszubreiten. Vielleicht hätten auch allein das Öffnen des Zeltes, der kostenlose Anblick der Geheimnisse des Orakels ausgereicht, um eine Menschenmenge anzulocken. Auf jeden Fall dauerte es nur Minuten, bis ein paar Dutzend dieser elenden Stammesmitglieder in der Nähe herumlungerten und ihre Wahrnehmung mit Wein und Drogen verstärkten, während sie begierig jedes Wort aufsaugten.
    Auch ich blieb eine Weile schweigend sitzen und lauschte dieser Vielfalt von Stimmen, die ein

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