Kinder der Apokalypse
ihn finden kann. Die Menschen, die seine Magie brauchen, sind vom Tode bedroht. Zu ihnen musst du gehen.«
Der Schemen sah die Verwirrung in Angels Zügen, trat wortlos vor, ergriff Angels Hände und hielt sie fest. Ailies Finger waren wie die Flügel kleiner Vögel, so weich und leicht, dass sie beinahe gewichtslos wirkten.
»Vor langer Zeit, zu Zeiten von John Ross, gab es einen Zigeunermorph, der die Gestalt eines Kindes annahm, das Nest Freemark geboren wurde.« Ailies Stimme war leise und lispelnd. »Die Dämonen versuchten, es zu finden und zu töten, aber es gelang ihnen nicht. Doch sie haben seine Existenz nicht vergessen, denn sie wissen, dass die Rettung der Menschheit davon abhängt, was man diesem Geschöpf zu tun gibt. Seit fahren wurde der Morph nicht mehr gesehen, nicht mehr seit dem Tod von Nest Freemark. Niemand weiß, wo er sich aufhält oder wie er aussieht. Er hält sich verborgen und wartet darauf, dass seine Zeit kommt. Nun ist es soweit, und der Zigeunermorph wird sich bald schon zeigen. Ein anderer Ritter des Wortes ist nach Aussagen von O’olish Amaneh auf der Suche nach ihm.«
Two Bears, dachte Angel und erinnerte sich. Es war Two Bears gewesen, der am Anfang zu ihr gekommen war, um sie zu einer Ritterin des Wortes zu machen. Es war Two Bears gewesen, der als Botschafter der Herrin agierte, als Träger des schwarzen Stabs. Als Gewährer und Überbringer der Macht des Wortes. Wie lange war das nun schon her!
»Soll ich diesem Ritter des Wortes helfen?«, fragte sie.
Das kindliche Geschöpf schüttelte den Kopf, und sein Haar wehte wie blaue Seide. »Er geht einen anderen Weg, er befindet sich auf einer anderen Suche. Wenn er überlebt, wirst du ihm helfen, sobald du deine Mission abgeschlossen hast.«
Wenn er überlebt, und wenn ich überlebe.
»Also ist dieser Talisman, den ich finden soll, nicht der Zigeunermorph selbst?«, drängte sie. Sie kannte die Geschichte von dem Zigeunermorph und von Nest Freemark. Two Bears hatte sie ihr erzählt. Sie war sich nicht sicher, ob sie sie glaubte, trotz Ailie. »Um was für eine Art von Talisman geht es?«
»Es ist ein Elfenstein.«
Nun wusste Angel wirklich nicht mehr, was sie denken sollte. »Ein Elfenstein?«, fragte sie. »Wie in Elfen?«
»Elfen haben ihn vor langer Zeit geschaffen, in der Welt des Feenlands.«
Angel verzog verärgert das Gesicht. »Elfen haben ihn geschaffen? Du behauptest, es gibt da draußen Elfen? Was soll das? Sieh mal, ich weiß nicht, um was es hier geht. Ich weiß nichts über Elfen und ihre Steine. Ich bin ein Mädchen aus dem Barrio, ein Straßenkind, und war noch nie in meinem Leben so weit nördlich, und dieses Elfenzeug ist etwas, was für mich keine Bedeutung hat. Willst du mir nicht erklären, wovon du eigentlich redest?«
Die winzigen Hände packten die ihren fester und erwiesen sich als überraschend stark. »Es gibt Elfen auf der Welt, Angel Perez. Es gab immer Elfen auf der Welt, schon vor den Menschen. Sie waren das Alte Volk in Zeiten, als das Feenland mächtig war, in der Zeit, als diese Welt entstand, noch ehe die Menschen kamen. Aber die Feenwelt verblasste, bis von den Alten Völkern nur noch die Elfen geblieben waren, und sie verbargen sich. Sie haben sich seitdem immer verborgen.«
Ailie kam noch näher. »Aber nun müssen sie in die Welt zurückkehren, um sie zu retten. Sie sind ebenso bedroht wie die Menschen. Und ihre Rettung liegt in der Wiederauffindung eines Elfensteins, den man den Loden nennt. Der Loden ist ihnen verloren gegangen und muss wiedergefunden werden. Er wird ihnen die Möglichkeit geben, ihr Versteck zu verlassen und an einen Ort zu reisen, wo sie in Sicherheit sind. Aber die Suche nach dem Loden wird gefährlich und schwierig sein, und ihnen fehlt die Magie, die ihnen früher einmal Schutz bot. Sie brauchen einen Ritter des Wortes, der für ihre Sicherheit sorgt, Angel.«
Angel versuchte immer noch, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass es Elfen geben sollte, Wesen, die sie immer für Phantasieprodukte gehalten hatte, Gestalten aus Geschichtsbüchern und Märchen. Was gab es sonst noch auf dieser Welt, von dem sie nichts wusste – von welchen anderen Geschöpfen hatte sie noch fälschlicherweise angenommen, dass es sie nicht gab? Ihre Welt war immer eine aus Beton und Stahl gewesen, aus verwüsteten Städten und Wolkenkratzern. Sie schaute zum Blätterwerk der Bäume hinauf, dann sah sie wieder Ailie an. Also gut, dachte sie, wenn man akzeptiert, dass es Schemen
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