Kinder der Dunkelheit
dich so gut geheilt hat – und offenbar nicht nur die sichtbaren Wunden. Du siehst glücklich aus. Und es ist schön, dass du hier bist, denn hier ist jemand, der über vierhundert Jahre auf dich gewartet hat. Es wurde langsam Zeit. Ab und zu war er wirklich unerträglich.“
Ein dezentes Räuspern erklang aus der Ecke des Zimmers. Raffaeles Grinsen wurde noch eine Spur breiter und er warf einen herausfordernden Blick auf Luca, ohne seinen Arm von Sabines Schulter zu lösen.
„Entschuldige bitte, aber das stimmt ja wohl. Keine war dir gut genug, aber wenn ich sie mir jetzt so ansehe, dann hat sich das Warten gelohnt.“
„Raffaele!“
„Ja?“
Luca machte eine resignierende Handbewegung. „Ach, was soll’s, du änderst dich ja doch nie. Hast du denn etwas gefu nden?“
Raffaele sah kurzzeitig etwas verwirrt aus, dann dämmerte es ihm wieder. „Aber sicher! Darum bin ich ja eigentlich hier. Sabine, Kind, du darfst mich nicht so ablenken.“
Der Blick, mit dem er sie bedachte, ließ Sabine erahnen, wie Sigñora Martin zu Wachs in seinen Händen geworden war. Erst jetzt entdeckte sie die Tragetasche einer italienischen Nobelmarke, die Raffaele achtlos hatte fallen lassen, um sie in die Arme zu nehmen. Er setzte ganz klar Prioritäten. Jetzt bückte er sich und angelte zuerst ein himmlisches beigefarbenes Shirt mit langen Ärmeln und einer raffinierten Schnürung am Rücken und dann eine figurbetonte Jeans heraus.
„Die Jeans passt sicher, ich hab die gleiche Größe gekauft wie die deiner Lederhose, die ist nämlich nicht mehr zu retten. Aber was ich einfach zu schön fand, um daran vorbeizugehen, hier, wie findest du das?“
Strahlend und sichtlich stolz auf sich, hielt er ihr eine lang geschnittene, hellbraune Bluse aus weichem Wildleder entgegen. Sie war mit türkisfarbenen Ornamenten bestickt und hatte große silberne Knöpfe. Sabine musste zugeben, dass all das ein Traum war und perfekt zu ihr passte. Allerdings schien er noch nicht am Ende seiner Aktion angelangt, denn sein schelmisches Grinsen, als er ein weiteres Mal in den Tiefen des großen Beutels wühlte, versprach noch eine weitere Überraschung. Die gab es dann auch: in Form von geradezu unverschämt hübschen Dessous in zartem Apricot mit einem kleinen Schleifchen vorn am Büstenhalter, an dem ein glitzerndes Strassherzchen baumelte.
„Na, wie war ich? Sag schon, dass es dir gefällt! Bitte!“ Er ha tte die Arme verschränkt und sah Sabine erwartungsvoll an.
„Die Sachen sind ein Traum und sicher waren sie unglaublich teuer. Eigentlich dürfte ich das gar nicht annehmen. Vielen, vi elen Dank!“ Sabine freute sich wirklich. Sie war noch nie in ihrem Leben so verwöhnt worden, zumindest nicht von einem Mann. Wieder beschlich sie der Verdacht, dass diese tollen Kerle hier doch nicht echt sein konnten.
Raffaele aber setzte sogar noch eins drauf. „Super, ich mag es nämlich wirklich, schöne Dinge einzukaufen. Ich komme nur so selten dazu, also nutze ich jede Gelegenheit, die sich mir bietet. Noch dazu, wenn so eine bezaubernde Frau sich dann darüber freuen kann.“
Ein Mann, der gerne einkaufte, konnte nur überirdisch sein, war Sabine überzeugt. „Wie kann ich mich denn dafür nur bedanken?“ Ihr war die Situation ein wenig peinlich, doch Raffaele ließ ihr gar nicht viel Zeit zum Grübeln.
Er grinste, bückte sich zu ihr hinunter und tippte sich auf die Wange. „Ein kleines Küsschen und wir sind quitt!“
Er bekam seinen Kuss, wenn auch mit fragendem Seitenblick auf den resigniert dastehenden Luca.
„Danke, alter Freund, anziehen kann sie es jetzt allein, denke ich. Wir kommen dann gleich mal nach unten.“
„Gute Idee, Angel platzt schon vor Neugierde. Er will die Frau sehen, die dein Herz erobert hat. Also macht schnell!“
Luca seufzte, jedoch nur leise. „Oh Mann, der auch noch. Also schlüpf schnell in die Sachen, dann bringen wir das hinter uns, vorher haben wir sonst sowieso keine Ruhe“, wandte er sich an Sabine.
„Guter Junge!“ Raffaele suchte lachend das Weite.
Sabine schlüpfte in die wunderbaren neuen Sachen, die alle perfekt saßen, kniff sich dann sicherheitshalber doch in den Arm, aber sie war eindeutig wach, das war kein Traum. Fünf Minuten später ging, nein, schritt sie an Lucas Hand die breite Freitreppe nach unten und konnte sich an der Schönheit des Palazzos gar nicht sattsehen.
Er sah genau so aus, wie man sich den Dogenpalast zur Blüt ezeit Venedigs vorstellen musste: eindrucksvoll
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