Kinder der Dunkelheit
dem Bildschirm gehangen und sich insgeheim gewünscht, an Julias Stelle zu sein. Jetzt war sie es, nur war alles noch viel besser.
Hier waren es gleich zwei Männer, die ihr den Himmel auf E rden kredenzten. Langsam öffnete sie den Karton, der allein schon teurer aussah als so manche Kleider, die sie früher bei sich zu Hause im Schrank hatte. Vor ihr lag ein Traum in Kupferrot samt passenden Handschuhen, ein perfekter Kontrast zu ihrem blonden Haar. Vorsichtig strich sie über das himmlische Kleid und genoss das erwartungsfreudige Rascheln der edlen Abendrobe.
„Gefällt es dir?“ Raffaele klang tatsächlich nervös.
„Raffaele, das … das ist das schönste Kleid, das ich je gesehen habe! Danke, danke, danke, es ist traumhaft! Sag nur, womit habe ich das alles verdient?“
Raffaeles Antwort war kurz und bündig. „Damit, dass du allein dadurch, dass es dich gibt, Luca glücklich gemacht hast.“
Er drückte ihr den Karton in die Arme und meinte: „Und jetzt zieh es an, mach dich hübsch und dann komm zu Teil zwei herunter. Ich bin ja noch nicht fertig.“ Sabine warf einen kurzen Blick auf Luca, der ihr bedeutete, dass alles in Ordnung war und lief, so schnell sie konnte, nach oben, um sich umzuziehen.
Nachdem sie das Kleid angezogen hatte und sich in Lucas Riese nspiegel betrachtete, konnte sie erst gar nicht glauben, dass tatsächlich sie es war, die ihr hier freudestrahlend aus dem Spiegel entgegenblickte. Sie sah jetzt vor sich eine glückliche, selbstbewusste, ja tatsächlich schöne Frau, wo ihr vor wenigen Wochen noch eine traurige, unsichere und zutiefst unglückliche Zeitgenossin gegenübergestanden hätte.
Raffaele hatte eine hervorragende Wahl getroffen. Das Kleid saß wie angegossen. Es war einfach und doch unglaublich raff iniert geschnitten, mit kleinen Ärmeln, einem geschnürten Rückenausschnitt , der so tief war, dass sie sicherheitshalber einen prüfenden Blick auf ihre Rückansicht warf, bevor sie das Zimmer verließ. Unter der Brust war es im Corsagenstil geschnitten, sodass es sich perfekt an ihren Körper schmiegte. Die glänzenden kupferfarbenen Pumps, die unter dem Kleid versteckt gewesen waren, passten wie angegossen, Raffaele konnte definitiv nicht echt sein. Ein Mann, der herrliche Schuhe einkaufte? Die langen Abendhandschuhe rundeten das Bild zu einem höchst eleganten Gesamteindruck ab. Sie hatte ihr Haar hochgesteckt und nur einige kleine Strähnchen, schnell zu leichten Locken gedreht, wie zufällig herausfallen lassen. Es sah gut aus und dennoch dauerte es eine Weile, bis sie mit ihrem Anblick wirklich zufrieden war. Angesichts der Tatsache, wer dort unten auf sie wartete, wollte sie einfach nicht das Gefühl haben, ihrer Begleiter nicht würdig zu sein.
Fast eine Stunde später ging sie, so schnell sie mit dem langen Kleid eben gehen konnte, die Treppe hinunter und blieb auf der Hälfte staunend stehen, da sie sah, was sie am Fuße der großen Freitreppe erwartete. Natürlich hatten Luca und Raffaele sich auch umgezogen. Doch wenn man bei solchen Gelegenheiten ansonsten so trivial sagen konnte: „Der Herr trug einen dunklen Anzug“, dann war das hier weit davon entfernt.
Luca hatte sich für einen schwarzen Gehrock mit silbernen Knöpfen entschieden. Darunter trug er ein schwarzes Hemd mit hohem Stehkragen und eine enge schwarze Hose, die in fast kniehohen, natürlich schwarzen Lederstiefeln steckte. Die Hüfte zierte ein breiter silberner Gürtel, der seine makellose Figur noch besser zur Geltung brachte. Raffaele hatte ein langes, figurbetontes Samtjackett in Kombination mit einem weißen Seidenhemd angezogen. Ansonsten ähnelte seine Kleidung der von Luca, abgesehen davon, dass er schwarze Handschuhe trug und über diesen mehrere auffällige silberne Ringe. Die beiden Männer sahen so verdammt gut aus und brachten sie so aus dem Konzept, dass Sabine eine Zeitlang brauchte, um den Rest der Treppe zu bewältigen.
„Lass dich ansehen! Du bist wahrlich wunderschön. Raffaele, alter Freund, man kann dich wirklich einkaufen lassen.“ Luca war entzückt. Doch er musste sich noch eine Weile mit weiteren Begeisterungsbekundungen zurückhalten, denn er wollte dem Freund die zweite Überraschung für Sabine nicht verderben. Der hielt jetzt den kleineren Karton in Händen und streckte ihn Sabine lächelnd entgegen.
„Du weißt, was jetzt kommt? Na los, mach schon auf, ich möchte deine Augen sehen.“
Fast schon zaghaft hob sie den Klappdeckel an und schob das kleine
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