Kinder der Dunkelheit
gut so, denn die Frauen zahlten für die „Biocreme“ ein Vermögen und die Apotheker ließen sich auch nicht gerade lumpen. Es machte Sabine großen Spaß, diese kostbare und duftende Salbe herzustellen und sie freute sich über Raffaeles Vertrauen in sie. Natürlich hatte sie einen hübschen Tiegel der Mixtur in ihrem Badezimmer stehen, auch wenn sie ihn eigentlich gar nicht gebraucht hätte. Luca war die beste Medizin für sie!
Eine knappe Stunde später war das Produkt fertig, in edle Glas-Töpfchen abgepackt und mit fantasievollen Etiketten beklebt. Sie verstauten ihre Ausbeute des Tages in Kartons und dann wurde Andrea gerufen, der sich sofort an die Auslieferung des kostbaren Balsams machte.
„Los, komm, Kind! Das genügt für heute.“ Raffaele wollte gerade den Raum verlassen, als Sabine ihn zurückrief. „Verzeih mir, aber du sagtest, wenn ich Fragen hätte, dann sollte ich sie auch stellen. Ich hätte da so zwei, drei Fragen.“ Sie lächelte den verdutzten Vampir strahlend an.
Raffaele schmunzelte nur. „Na, dann schieß mal los, mein Kind. Soweit ich kann, bekommst du gern Antworten.“
„Ich frage mich, warum auch die Frauen der Kinder der Dunkelheit deine Produkte benutzen. Sie bräuchten sie doch eigentlich gar nicht. Euer Blut, sofern sie als Vampire geboren wurden, lässt euch doch sowieso nicht altern! Und die Menschenfrauen, die mit einem Kind der Dunkelheit zusammen sind, haben ja nun auch nicht wirklich gesundheitliche Probleme oder einen miesen Teint?“
„Sabine, du bist doch eine Frau. Findest du es nicht toll, dich mit edlen Produkten zu pflegen? Es ist einfach schön, etwas für sich zu tun. Das ist der Genussfaktor. Man gönnt sich etwas, tut sich etwas Gutes.“ Raffaele steckte die Hände in die Taschen seiner schwarzen Leinenhose und sah nachdenklich auf die Spitzen seiner Espandrillos hinunter. „Ab und zu möchten wir einfach ein ganz normales Leben führen. Dazu gehören solch augenscheinlich unwichtige Kleinigkeiten genauso wie ein Spaziergang in der Abenddämmerung oder ein Besuch in einem guten Restaurant. Wenn wir am Abend in die Oper oder in ein Theater gehen, so ist es für uns ein wahrer Genuss. Wir lieben schöne, harmonische Dinge, genießen alles, was Auge und Ohr erfreut.“
„Dann hast du in den letzten, sagen wir, einhundert Jahren aber nicht viel Freude gehabt. Realistisch betrachtet.“
Ein Hauch von Wehmut huschte über das Gesicht des großen Mannes. „Pack da ruhig noch ein paar Hundert Jahre mehr drauf. Und weißt du, ich denke, das unsterbliche Leben wäre nicht sonderlich erstrebenswert in dieser von Habgier und Neid geprägten Welt, müsste man es unter Menschen leben. Nimm das bitte nicht persönlich.“ Raffaele wuschelte Sabine durch die langen blonden Haare. „Siehst du, allein dafür hat sich dieser Tag schon wieder gelohnt!“
Sabine stieß einen leisen Seufzer aus. „Ihr seid doch alle gleich.“
„Mehr oder weniger, darum liebt ihr uns doch so. Und jetzt komm, Luca sollte endlich mal wieder wach werden – und wenn nicht, sorgst du bitte dafür. Da wird dir doch etwas einfallen, oder?“
„Er war so schrecklich erschöpft und traurig, als er zurückkam. So kannte ich ihn gar nicht.“
Raffaele nickte. „Ja, einen Freund, der für gut zweihundert Jahre zu deinem Leben gehört hat, der anderen Seite der Ewigkeit übergeben zu müssen, ist auch für uns schwer. Ich denke, wir haben stärkere und tiefere Gefühle als die Menschen, nur zeigen wir sie nicht andauernd und haben auch nicht die fatale Tendenz, sie konstant in der Öffentlichkeit auszudiskutieren. Aber jetzt ist es genug, wirf ihn aus dem Bett, wir –“
Das Klingeln seines Mobiltelefones unterbrach ihn mitten im Satz und etwas ungehalten nahm er das Gespräch an. Seine Mi ene änderte sich aber schlagartig, als er hörte, wer der Anrufer war.
„Abdallah, alter Freund, was muss geschehen, um dich so weit zu bringen, ein Handy zu benutzen?“
Sabine wollte sich gerade dezent zurückziehen, da sie der Meinung war, nur zu stören und Raffaeles Telefonate würden sie nichts angehen, doch zu ihrer großen Überraschung bedeutete ihr, zu bleiben.
„Ja, ich verstehe, warum willst du es mir nicht jetzt sagen? Misstrauischer, alter Mann?“
Als Abdallah weitersprach, weiteten sich Raffaeles Augen erstaunt. „Aber wenn du Habib schickst, dann lass ihn uns am Flughafen abholen und direkt hierherbringen. Gut, wenn du denkst. Ja, er soll uns bitte sofort Bescheid geben, wenn
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