Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
auf ihn warten werde. Ich …«
    Der Haufen aus Fleisch, Metall und Synthomasse im Läsionsbad erzitterte noch heftiger. Weitere Schläuche und Kabel tasteten wie Tentakel aus den Seiten des Tanks und verbanden sich mit Lukas' organischen Bestandteilen, aber Esebian bezweifelte, dass sie etwas ausrichten konnten. Die Anzeigen im Displayfeld befanden sich inzwischen alle weit im kritischen Bereich.
    »Heißt es nicht, dass man ein Licht sieht oder dergleichen?« Plötzlich war Lukas' Stimme wieder ganz deutlich. »Ich sehe nur verdammte Dunkelheit, Caleb. Nichts als Schwärze. Der Code … du brauchst den Code …« Zwei oder drei Sekunden war nur das leise Summen der Biomaschine zu hören. »Depot, hörst du mich?«
    »Ich höre«, ertönte eine andere Stimme.
    »Neue Zugangsberechtigung … uneingeschränkt. Esebian. Erfasse Biosignatur.«
    »Identifikation.«
    »Ich bin Esebian«, sagte Esebian. Ein mobiler Sensor flog auf ihn zu wie ein Insekt aus Metall, verharrte kurz an seiner Stirn und flog dann wieder fort.
    »Biosignatur erfasst.«
    »An Depot, Datenscheibe mit allen Codes … vorbereiten.«
    »Bestätigung.«
    Das Zischen aus dem Artikulator klang wie ein Seufzen. »Alter Freund … und Talanna, mein Schatz … ich hoffe, dass es dir nicht so ergeht wie mir. Ich wollte ebenfalls zu den Hohen Welten, aber der verdammte Betrüger … Wie unfassbar ungerecht, in einem Universum zu sterben, das die Unsterblichkeit kennt. Caleb, ich …«
    Lukas' Reste im Läsionsbad erbebten ein letztes Mal und rührten sich dann nicht mehr. Die Indikatoren im Displayfeld sanken auf null.
    »Er ist tot«, flüsterte Leandra.
    »Jetzt weiß er, ob die Kleriker Recht haben oder nicht«, sagte Esebian leise, wandte sich vom Läsionstank ab und verlor den linken Arm.

 
34
     
    »Wer war Lukas?«, fragte Leandra. »Und was war er?«
    »Ein guter Freund«, sagte Esebian. »Und mehr als das für eins meiner früheren Leben.«
    »Sie sind alle in dir, nicht wahr? Ich meine, deine früheren Leben sind wie … richtige Personen?«
    »Ich bin zweihundertdreiundfünfzig Jahre alt«, sagte Esebian. »Eine einzelne Person würde unter dem Gewicht dieser Jahre zusammenbrechen.«
    »Was ist mit den Unsterblichen, die Tausende von Jahren alt sind?«, fragte Leandra. »Wie werden sie mit dieser … Last fertig.«
    »Ich bin fest entschlossen, das herauszufinden, und zwar durch eigene Erfahrung.«
    Sie saßen auf einer Felsterrasse, und nur wenige Meter vor ihnen ging es zweitausend Meter in die Tiefe. Auf der anderen Seite der mehrere hundert Meter breiten Schlucht stürzten gewaltige Wassermassen mit einem Tosen hinab, das ohne die energetische Barriere, die sich durch ein leichtes Flimmern verriet und als dünner Vorhang vor der Terrasse hing, sicher ohrenbetäubend laut gewesen wäre. Es wunderte Esebian nicht, dass Lukas sein Hauptdepot ausgerechnet hier eingerichtet hatte, in alten, längst nicht mehr benutzten Bruthöhlen. Die Enha-Entalen mieden die »Schlucht des Donners«, denn vor einigen Jahrtausenden, beim letzten ihrer Drei Großen Konflikte, war hier eine ganze Aggregation einer heimtückischen biologischen Waffe – angeblich eine Hinterlassenschaft der Genetischen Armada – zum Opfer gefallen. Es war ein abgelegener Ort, ohne neugierige Augen.
    Leandra rieb sich kurz die Arme. »Eine der Stimmen mag mich nicht.«
    Esebian rang sich ein Lächeln ab. »Niemand von uns kann es allen recht machen.«
    Versuchsweise bewegte er den neuen linken Arm, mit dem ihn die Biomaschinen des Depots ausgestattet hatten. Er bestand aus Metall und Synthomasse, und die Steuerung erfolgte mithilfe von Sensoren. Es hätte zu lange gedauert, neue Nervenverbindungen wachsen zu lassen, und außerdem plante Esebian ohnehin, sich einer regenerierenden Ganzkörperbehandlung zu unterziehen; sein Zustand ließ ihm keine andere Wahl. Derzeit fühlte er sich gut, besser als noch vor einigen Stunden. Ganze Schwärme von Nanomaschinen waren in seinem Leib unterwegs und installierten die neuen Erweiterungen, die er sich im Depot ausgesucht hatte. Nach und nach dehnten sie die Grenzen seiner Wahrnehmung aus. Er kam sich vor wie jemand, der gerade das Sehvermögen zurückbekommen hatte und in einem riesigen Saal stand, in dem eine Lampe nach der anderen eingeschaltet wurde – die Dunkelheit wich zurück, und je weiter sie zurückwich, desto mehr Einzelheiten seiner Umgebung nahm er wahr.
    »Der Wurm …«, sagte Leandra nachdenklich und beobachtete die

Weitere Kostenlose Bücher