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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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EPILOG
     
    Noch immer lag der Staub vergangener Zeiten in dem großen Ballsaal, auf den Tischen und Sesseln am Rand der Tanzfläche, als graue Patina über Spiegeln und Fensterscheiben. Nichts schien sich an diesem Ort des sinnlosen Schuftens verändert zu haben, und doch spürte Akir Tahlon tief in seinem Innern, dass diesmal alles anders war. Der Kronleuchter hing an der hohen Decke und fiel nicht, als er mit langsamen Schritten durch den Saal ging. Alles blieb still. Es brachen keine kristallenen Kerzen hinter ihm, und diesmal erschien auch keine schwarze Gestalt, die ihm den Weg zur Tür versperrte. Vor ihr blieb er stehen, und seine Aufregung wuchs. Deutlich fühlte er, wie sein Herz schneller schlug, und das erschien ihm seltsam, denn er wusste, dass er tot war.
    Die Tür öffnete sich mit einem leisen Knarren – kein anderes Geräusch störte die Stille. Tahlon sah sich kurz um, ein letztes Mal. Der Kronleuchter hing noch immer an der Decke, seine kristallenen Kerzen ebenso staubig wie Fenster und Spiegel. Er würde nicht fallen, die Kerzen blieben heil.
    Draußen strich wie beim ersten Mal warmer Sonnenschein über die Stadt vor dem Hügel, auf dessen Kuppe das Gebäude mit dem alten Ballsaal stand. Tahlon lächelte, als er beobachtete, wie sich erste Personen und Fahrzeuge bewegten, in Mustern, die sich durch die gleiche mathematische Präzision auszeichneten wie die geometrischen Formen, zu denen die Häuser angeordnet waren. Der sich auf Fenstern und Dächern widerspiegelnde Sonnenschein gehorchte den gleichen Regeln, die alle Bewegungen bestimmten. Wieder steckte ein Schrei in Tahlons Kehle, als er diese Stadt sah, in der Ordnung und Übersicht regierten, in der es keinen Platz für Unerwartetes und Unvorhergesehenes gab, in der sich alles immer am richtigen Platz befand. Doch diesmal war es kein Schrei der Verzagtheit, weil ihm das Paradies vorenthalten blieb, weil er zurückmusste in die Welt des Chaos. Es waren vielmehr Jubel und schieres Glück, die nach einem Schrei verlangten, und als er durch die Stadt hallte, blieben die Gestalten in den Straßen stehen und winkten ihm zu. Er zögerte kurz und horchte, doch es kam nicht das Klirren eines herabfallenden Kristallleuchters aus dem Ballsaal.
    Akir Tahlon, ehemals Präfekt der Hohen Welten und Erster Hochkommissar des Direktoriats, setzte sich in Bewegung und schritt über den Pfad, der am Hügelhang hinab zur Stadt führte. Hinter ihm schloss sich die Tür des Gebäudes mit dem alten Ballsaal.
    Für immer.

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