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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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den Makel nahm …« Und nicht nur mir, dachte Esebian. »Nur dadurch konnte ich mich Therapien unterziehen. Womit wir bei Lukas wären. Es gab und gibt viele Menschen, die sich an Korrektoren wenden. Neben der hellen Welt der Regeln und der Legalität gibt es noch eine andere, eine Welt der Schatten und des Zwielichts, in der man sich über die Regeln hinwegsetzt. In dieser Welt war Lukas zu Hause. Er lernte früh, sich ihre eigenen Regeln zunutze zu machen, handelte erst mit Informationen und dann auch mit verbotener Technik aller Art. Es lief darauf hinaus, dass er den Leuten, die zu ihm kamen, das beschaffte, was sie auf legalem Wege nicht bekommen konnten.«
    »Ein … Profiteur?«, fragte Leandra.
    »Es kommt darauf an, aus welchem Blickwinkel man es sieht«, sagte Esebian. »Ja, er profitierte von der Notlage anderer. In der Schattenwelt der Tausend Tiefen wird gestohlen, betrogen und gemordet, und fast immer geht es dabei um Meriten und eine Möglichkeit, Unsterblichkeit zu erlangen. Lukas gab den Dieben, Betrügern und Mördern die Werkzeuge, die sie brauchten, und er sagte ihnen, wo sie am besten Gebrauch davon machen konnten. Einige meiner frühen Aufträge hat er vermittelt.«
    Bei diesen Worten huschte eine kurze Veränderung durch Leandras Gesicht, so schnell, dass Esebian nicht sicher war, ob er sie wirklich gesehen hatte.
    »Aber Lukas hat nicht nur von der Notlage anderer profitiert, sondern auch oft uneigennützige Hilfe geleistet«, fuhr er fort. »Wie mir, als ich damals zum ersten Mal zu ihm kam. Es steckten zwei Seelen in ihm, die eines Geschäftemachers und die eines Menschen, der Anteil nahm und half, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten. Im Lauf der Jahrhunderte knüpfte er immer mehr Kontakte in den Tausend Tiefen, in den Gemischten Gebieten ebenso wie auf den offiziellen Welten des Direktoriats. Er hatte auch Verbindungen zu den anderen Nationen in der Milchstraße, insbesondere zu den Enha-Entalen, was ihn schließlich veranlasste, sich hier auf Gevedon niederzulassen.«
    »Weit entfernt von den Observanten und Ethikwächtern.«
    »Das dürfte einer der Gründe dafür gewesen sein. Jetzt bin ich sein Erbe.« Esebian griff in die Hosentasche und holte eine Datenscheibe hervor. Wie es der Zufall wollte, war sie so gelb wie die Scheibe, die ihm Tirrhel bei seinem Besuch im fliegenden Haus über den Experimentalseen von Angar gegeben hatte. »Die hierauf gespeicherten Codes erlauben mir Zugriff auf alle seine Ressourcen. Damit sind wir gut gerüstet.«
    »Gerüstet wofür?«
    »Für den Gegenschlag«, sagte Esebian. »Das Weglaufen hat bald ein Ende. Sobald ich mit Erebos gesprochen habe, wird der Spieß umgedreht.«
    »Wer ist Erebos?«
    »Ein Brainer. Das Gehirn von Aurora.« Esebian winkte ab, als er die neue Frage auf Leandras Lippen sah. »Ich erkläre es dir, wenn wir unterwegs sind.«
    »Und wann brechen wir auf?«
    »Ich schätze, das Depot braucht noch etwa eine Stunde, um das Schiff vorzubereiten. Waffen habe ich bereits ausgesucht. Diesmal machen wir uns voll ausgerüstet auf den Weg.«
    »Eine Stunde …« Leandra stand auf, kam mit fließenden Bewegungen näher, drückte Esebian in den Formsessel zurück und setzte sich auf ihn. »Zeit genug für uns.«

 
     
     
     … Dieser ist der wahre Weg,
    Kein andrer macht das Auge rein;
    In seiner Fährte schreitet hin,
    So blendet ihr den Herrscher Tod.
     
NAVIGATION
35
     
    Akir Tahlon träumte, und in seinem Traum stand er in einem großen Ballsaal. Staub trübte den Glanz vergangener Zeiten. Er bildete eine graue Schicht auf den Tischen und Sesseln am Rand der großen Tanzfläche, deren Boden aus echtem Holz bestand. Als vager Schleier lag er auf den Spiegeln, und an den Fenstern bildete er eine so dicke Schicht, dass man kaum nach draußen schauen konnte. Tahlon wusste, dass ihn außerhalb des Gebäudes nicht die graue Düsternis jener Welt erwartete, in der er unzählige Male Tausende von kleinen weißen Stäben sortiert hatte. Er wollte hinausgehen, doch eine schwarze Gestalt versperrte ihm den Weg.
    »Du kannst noch nicht hinaus«, sagte die Gestalt mit einer Stimme, die aus der Finsternis unter der Kapuze kam. »Erst musst du deine Aufgabe erfüllen.«
    »Aber ich habe getan, was du wolltest«, erwiderte Tahlon. Er fror und war müde, doch er wusste: Selbst ein dicker Mantel hätte ihn nicht wärmen können. Diese Welt erlaubte ihm keinen Schlaf, weder am Tag noch in der Nacht.
    »Dies ist deine neue Aufgabe.« Die

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