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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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sicher, dass es ein Erlauchter war. Kein Avatar. Ein Erlauchter in Fleisch und Blut. Ich wünschte, die Incera würden ihn holen! Talanna?«
    »Ich bin noch immer hier, Lukas«, sprach Talanna aus Esebians Mund und strich ihm mit der Kuppe des Zeigefingers über die rissige Stirn.
    »Es war wirklich schön, dich noch einmal zu hören, mein Schatz, aber jetzt … Ist Caleb da? Kann ich mit ihm reden?«
    Lass mich mit ihm sprechen , sagte Caleb sofort.
    »Caleb ist da, Lukas«, erwiderte Talanna. »Er hört dich, aber … du kannst nicht mit ihm reden. Sprich mit Esebian.« Sie wich zurück zu den anderen und nahm Calebs Flüche gelassen hin.
    »Esebian …« Lukas' Stimme war schwächer. Die von der Maschine in einem großen Displayfeld über dem Läsionstank angezeigten Biowerte fielen auf ein kritisches Niveau.
    »Hier bin ich«, sagte Esebian, wieder vollkommen Herr über sich selbst.
    »Die Kleriker sagen, es gäbe ein Leben nach dem Tod, Esebian. Ich werde gleich feststellen, ob das stimmt. Aber vorher …« Lukas' Reste im Läsionsbad erzitterten. Der lange Riss in der Seite des Rumpfs hatte sich geschlossen, und schnell wachsendes neutrales Gewebe verwehrte den Blick auf den ebenfalls sterbenden oder vielleicht schon toten Symbionten. »Der verfluchte Mistkerl, der mich erledigt hat, Esebian … Er hat nach dir gefragt. Er wusste von dir und … El'Kalentar. Aber ich glaube nicht, dass er deshalb zu mir kam.«
    Lukas legte eine kurze Pause ein, und Esebian beobachtete, wie sich die Farbe der Flüssigkeit im Tank veränderte. Aus einem blassen Rosa wurde ein helles Blau.
    »Er hat nach den Magistern gefragt«, fuhr Lukas fort. »Er wollte wissen, was ich über sie weiß.«
    »Was solltest du über die Magister wissen, das einen Erlauchten interessieren könnte?«, fragte Esebian verwundert.
    »Etwas geht vor … Caleb«, sagte Lukas. Nicht nur die Flüssigkeit im Tank verfärbte sich; das helle Blau ging auf Lukas' Rumpf über. »Die Magister … Sie sprechen schneller, öfter und länger miteinander. Ihre Kommunikationsaktivität hat signifikant zugenommen, wenn du dir die statistischen Analysen ansiehst. Erebos beschäftigt sich schon seit einer ganzen Weile damit und versucht, in den Datenströmen irgendetwas zu entdecken, das uns Aufschluss geben könnte. Und die neuen Aktivitäten der Magister betreffen nicht nur die Kommunikation, Caleb. Es finden Umstrukturierungen statt. Angeblich werden neue Seeder losgeschickt – diese Antwort hat das Direktoriat auf eine seiner Anfragen bekommen. Aber Erebos hat herausgefunden, dass mehr dahintersteckt.«
    »Was?«, fragte Esebian, der seine eigene Schwäche immer deutlicher spürte. Für einen absurden Moment stellte er sich vor, wie ihm der sterbende Lukas die Lebensenergie entzog, wie sie aus ihm strömte und in das schwarze Loch des Todes fiel.
    Ein warnendes Zirpen kam von der Biomaschine, und dann: »Als ich zum letzten Mal mit ihm gesprochen habe, war er noch immer damit beschäftigt, Informationen zu sammeln. Vielleicht …« Lukas unterbrach sich, und im Läsionsbad gluckerte es. Gasblasen stiegen auf, platzten an der Oberfläche. Der Geruch von Fäulnis breitete sich aus. »Vielleicht weiß er inzwischen mehr. Vielleicht …« Lukas drehte ansatzweise den Kopf. »Caleb?«
    »Ich bin immer noch hier«, sagte Esebian.
    »Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, Caleb. Der Tod, meine ich. Wir alle versuchen, vor ihm wegzulaufen, jeder auf seine Weise, aber vielleicht ist er gar nicht so schlimm. Was wäre, wenn die Kleriker Recht haben?« Der Mund im zerfetzten Gesicht öffnete sich, und dem Gluckern gesellte sich ein kurzes Glucksen hinzu, das möglicherweise ein Lachen war.
    »Du bekommst alles, Caleb. Ich gebe es Talanna und dir, und dem anderen, wie heißt er …?«
    »Esebian. Was gibst du mir?«
    »Mein kleines großes Reich, Caleb. Du bekommst alles, meine Depots, meine Ressourcen, meine Verbindungen. Nimm dir, was … was du brauchst.« Das Sprechen fiel ihm schwerer, und das kam auch in der Artikulatorstimme zum Ausdruck. »Ich verlange nur eins dafür.«
    Esebian sah auf den Sterbenden im Tank und dachte daran, wie er vorher gewesen war, vor dem Betrug des Kunden, der ihn letztendlich um die Unsterblichkeit gebracht hatte. Talannas Trauer übertrug sich auf ihn, und er fragte sanft: »Ein Auftrag?«
    »Ja, ein … Auftrag. Wenn du es so sehen willst. Ein gut bezahlter Auftrag. Zahl es ihm heim, Caleb. Schick den verdammten Kerl ins Jenseits, wo ich

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