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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Fremden, als der Noder aktiv wurde und ein Transferitorfeld schuf.
    Es erfasste nicht nur den Mann mit der Maske, sondern auch ihn.

 
32
     
    Wielange konnte ein ungeschützter Mensch im Vakuum des Alls überleben? Esebian war auf dem besten Weg, es herauszufinden.
    Offenbar war der Transferitor auf eine bestimmte Transportmasse programmiert gewesen, und die eingesetzte Transferenergie reichte nicht aus, um den Fremden und seinen unerwarteten Begleiter zum Ziel zu bringen: einem Raumschiff, das aus mehreren Keilelementen bestand. Wie groß es war, und wie weit entfernt, ließ sich kaum abschätzen, denn hier oben weit über Gevedon fehlten Vergleichsmaßstäbe. Wer auch immer der Mann mit der Maske war, es störte ihn kaum, dass der Retransfer im All stattgefunden hatte. Die Zweite Haut erfüllte hier die gleiche Funktion wie ein Druckanzug, und die Maske schützte sein Gesicht; vielleicht konnte er hinter ihr sogar atmen.
    Die Luft entwich aus Esebians Lungen, und er spürte, wie er sich aufzublähen begann. Das Blut in seinen Adern begann zu brodeln, und durch die Schicht aus Raureif, die sich auf seinen Augen bildete, sah er, wie der Fremde die Waffe auf ihn richtete. Er zögerte, hakte sie in aller Ruhe an den Gürtel, winkte spöttisch … und verschwand in einem neuerlichen Aufblitzen des Transferfelds.
    Wie viele Sekunden waren vergangen? Zwei, drei … Esebian fragte sich, wie lange er noch am Leben bleiben würde. Zehn weitere Sekunden? Ein paar mehr?
    Seltsamerweise fühlte er gar keine Kälte, obwohl sie sich anschickte, seine Augäpfel in Eis zu verwandeln. Viel unangenehmer war das Empfinden, dass die Gase in seinem Körper ihn wie einen Ballon aufpumpten.
    Noch eine Sekunde verging, dann packte ihn etwas und riss ihn zurück in eine Welt, die um ihn herum zusammenbrach. Von einem Augenblick zum anderen befand er sich wieder im phasenverschobenen Teil des Ladens, und es krachte und donnerte, als Wände verschwanden, die keine echte Substanz gehabt hatten, und die Mauern der Schachtelbauten hinter Lukas' Geschäft an ihre Stelle traten. Für einen Moment sah er aus nächster Nähe den Stabkopf eines Enha-Entalen: Dunkle Augen glänzten im Licht einer Lampe, die sich irgendwo weiter rechts befand, und eine instinktive Abwehrgeste brachte den Schwanzstachel dicht vor Esebians Gesicht. Wieder packte ihn das Kraftfeld, das ihn aus dem All zurückgeholt hatte – ein Rückkopplungseffekt zwischen dem kollabierenden Phasenraum einerseits und dem Transferitor, vermutete Esebian –, und zog ihn durch eine von der Restenergie geschaffene Notfallschneise. Der Phasenraum spuckte ihn an einer Stelle aus, die Lukas, der nichts unberücksichtigt ließ, aus Sicherheitsgründen programmiert hatte: in einem halbdunklen Raum, der nur vom Licht einer schwach glühenden Chemolampe erhellt wurde. Die Wände bestanden aus Felsgestein und wiesen weder Türen noch Fenster aus. Die Luft war schal, trocken und staubig. Jemand hustete.
    Esebian lag auf dem Boden, rollte sich herum und sah Leandra, die neben einem Haufen aus bläulichem Metall, weißer Synthomasse und grauem Fleisch hockte. Sie achtete gar nicht auf ihre Umgebung, berührte den aus dem Riss in Lukas' Rumpf ragenden Symbionten und murmelte: »Er stirbt …« Sie hustete erneut und wischte sich Staub aus dem Gesicht.
    Ein dumpfes Knirschen kam von oben, und Esebian hob den Kopf. Dünne Risse hatten sich in der Decke gebildet. Wo auch immer sich dieser Raum befand, er schien erheblichem Druck ausgesetzt zu sein.
    Ein Artikulator surrte leise. »Caleb …?«, erklang eine undeutliche Stimme.
    »Ich bin hier«, sagte Esebian und kroch näher.
    Leandra löste fast widerstrebend die Hand vom Symbionten, und Esebian bemerkte ein kurzes Flackern in ihren Augen, als sie ein wenig zurückwich.
    »Fünfhundert Jahre bin ich alt«, kam es aus dem Artikulator. »Und ich habe mit mindestens fünfhundert weiteren gerechnet. Dass mein Leben hier endet, auf diese Weise …«
    Schwäche breitete sich in Esebian aus, und er versuchte, sie zu ignorieren. »Hör mir zu, Lukas. Wir sind in deinem Rückzugsraum. Das Phasenfeld ist kollabiert.«
    »Kollabiert …«, ächzte Lukas. Leises Zischen kam aus der verbeulten Metallhälfte des Kopfes.
    »Wo ist der Ausgang, Lukas?«
    »Der … Ausgang?«
    »Ich fürchte, auf der Decke lastet ein Gewicht, dem sie nicht lange standhalten kann. Vielleicht ist über uns ein Gebäude der Wabenstadt eingestürzt. Der Ausgang, Lukas. Wie kann man

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