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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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noch immer daran gelegen ist, mich zu beseitigen, und wenn ich mich als Köder anbiete, an einem gut vorbereiteten Ort …«
    »Ich verstehe«, sagte Erebos. »Ich denke darüber nach, Esebian. Bei meiner nächsten Wachphase setzen wir dieses Gespräch fort.«
    Esebian blickte noch einige Sekunden auf den Brainer hinab, dessen Gedanken jetzt zurückkehrten in die interplanetaren und interstellaren Datenströme. Sein inneres Chrono teilte ihm mit, dass mehr als eine halbe Stunde vergangen war.
    »Du willst dich in Gefahr begeben«, erklang eine Stimme hinter ihm.
    Esebian drehte sich um und sah Leandra einige Meter entfernt, das silberblonde Haar glatt wie immer. Ärger regte sich in ihm. »Wie lange bist du schon hier? Ich habe gesagt, dass ich allein mit Erebos sprechen wollte.«
    »Ich habe dich nicht gestört, oder?« Sie kam näher, mit einem Licht in den großen grünen Augen. »Die anderen sind draußen. Sie wollten hereinkommen und dein Gespräch mit Erebos beenden, weil die halbe Stunde um war, aber ich habe dafür gesorgt, dass sie draußen blieben.« Dicht vor Esebian verharrte sie, und etwas an ihrer Nähe schien ihm den Atem zu nehmen; er wünschte sich plötzlich mehr Distanz. »Du darfst dich nicht in Gefahr begeben. Such stattdessen nach einer Möglichkeit, dein Leben zu verlängern. Wir haben uns endlich gefunden und dürfen nicht riskieren, dass uns etwas voneinander trennt. Ich will nicht wieder allein sein …«
    Sie streckte die Hand aus und wollte Esebian an der Wange berühren, als sich am Ende des Flurs hinter ihr das Innenschott der Sicherheitsschleuse öffnete. Die Vorsitzende der Hauptenklave von Drossos kam mit langen, energischen Schritten durch den Korridor und in den Raum des Brainers. Felton und Kaspari folgten ihr ebenso wie der Erste Betreuer Forcade Clar. Der Hybride bewegte nervös die Stummelflügel.
    »Eine ganze Stunde«, ereiferte sich der kleine Mann. »Das bringt alle unsere Planungen durcheinander.«
    »Etwas hat uns draußen festgehalten«, sagte Jacinta. Sie sah erst Esebian an und dann Leandra. »Wer ist sie? Was ist sie?«
    Esebian trat an Leandra vorbei, und eine Last auf Schultern und Brust, die ihm eben noch das Atmen erschwert hatte, fiel von ihm ab. »Sie ist meine Gefährtin«, antwortete er und hörte, wie Caleb sagte: Du weißt, was ich von ihr halte.
    Auf dem Weg nach draußen drückte er Forcade Clar die Kom-Scheibe in die Hand und nahm sich vor, Erebos nach Leandra zu fragen.

 
     
     
    Den Unentwegten, Tüchtigen,
    Den, wahrlich, zwingt der Tod nicht mehr,
    Wie Sturm nicht zwingt die Felsenwand.
     
IM ZEICHEN DES STURMS
41
     
    Draußen heulte ein Schneesturm in der dunklen, kalten Polarnacht, und im Haus des Unsterblichen herrschte Todesstille. Es war ein seltsamer Kontrast, gleich in mehrfacher Hinsicht, und in Tahlon stellte sich nicht das Gefühl der Geborgenheit ein, das ihn beim letzten Besuch an diesem Ort begleitet hatte. El'Kalentars Domizil war kein Bollwerk mehr gegen das Chaos, keine feste Burg, die Sicherheit vor unkontrollierten Veränderungen versprach, sondern ein Ort, dessen Stille lautlos vom Tod erzählte. Langsam schritt er durch die Flure und Räume der Villa, deren Formspeicher noch immer einen Gebäudekomplex im klassischen Stil der Alten Erde schufen. Ranidi und die technischen Spezialisten von Taschkas Präfektur arbeiteten im Kommunikationszentrum des Domizils, und für einen Moment erwog Tahlon, zu ihnen zurückzukehren. Aber es wäre ihm zu sehr wie eine Flucht vor der stillen Leere erschienen, und deshalb setzte er den Weg fort und lauschte dabei dem leisen Fauchen und Zischen des Sturms. Das Neutralisierungsfeld in El'Kalentars Domizil schränkte die Funktion seiner Erweiterungen stark ein, und deshalb fehlte ihm die Möglichkeit, Gedanken und Gefühle in kontrollierte Bahnen zu lenken. Vielleicht war das der Grund, warum er sich plötzlich in dem offenen Bereich wiederfand, der den Steingarten enthielt. Sein Blick fiel auf die Säulen, Streben, Brücken und Bögen, die er schon einmal gesehen hatte, bestehend aus glatten schwarzen, von weißen Linien durchzogenen Steinen. Ein Stein lag abseits aller anderen, allein auf dem Boden, und er schien zu rufen: Nimm mich und leg mich an die richtige Stelle.
    Jenseits der transparenten Decke begann das kalte Reich der Polarnacht, und im matten Licht, das jene Finsternis vom offenen Bereich mit dem Steingarten empfing, wirbelten Schneeflocken in einem wilden Tanz. Das Heulen des Sturms

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