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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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und zwei breit.
    »Es ist der letzte«, sagte El'Kalentar. »Sie haben die Ehre, dieses Kunstwerk zu vollenden.«
    Tahlon starrte überrascht auf den Stein, rund und glatt wie ein Kiesel, und blickte dann durch den Steingarten. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. »Exzellenz …«
    »Nur zu.« El'Kalentar lächelte, wodurch die blauen Punkte in seinem Gesicht in Bewegung gerieten. Von der kleinen roten Eidechse kam ein leises Zischen. »Es ist nur ein Stein.«
    »Aber ich weiß nicht, welche Stelle Sie dafür vorgesehen haben, Exzellenz.«
    »Oh, suchen Sie sich eine aus.« El'Kalentar winkte einladend.
    Akir Tahlon sah sich um. Die Stege und Brücken kamen nicht infrage, nicht einmal die niedrigen von ihnen, denn ihr Gleichgewicht erschien ihm zu prekär. Eine der Säulen?
    »So schwer kann es doch nicht sein.« El'Kalentars Stimme gewann einen spöttischen Klang. »Nur ein Stein.«
    Tahlon ging zu einer der kleineren Säulen – sie reichte ihm bis zur Brust und bot oben Platz genug für einen weiteren Stein. Vorsichtig legte er den Stein, den er vom Erlauchten erhalten hatte, auf die anderen, trat dann zurück und wollte sich erleichtert zu El'Kalentar umdrehen, als er plötzlich ein dumpfes Knirschen hörte. Die Steine der Säule erzitterten, wie von unsichtbaren Fingern angestoßen, und die Vibrationen breiteten sich schnell aus, erfassten den fast bis zur Decke aufragenden Turm daneben, dann die nächsten Stege. Aus dem Knirschen wurde ein Knistern und Knacken, das schnell zu einem Donnern anschwoll. Steine fielen, zu Hunderten und Tausenden; der ganze Steingarten, in zwanzig Jahren von den Händen eines Unsterblichen geschaffen, stürzte in sich zusammen.
    Tahlon hob schützend die Hände über den Kopf und kniff die Augen zu. Als das Getöse schließlich nachließ, wagte er, die Lider wieder zu heben.
    »Exzellenz! Es … es tut mir leid. Ich wollte nicht … ich wusste nicht …«
    El'Kalentar stand da und lächelte erneut. Das Eidechsenimplantat in seiner Stirn schien zu grinsen.
    »Ein Stein«, sagte er. »Ein Stein, an der falschen Stelle, und alles bricht zusammen.«
    »Es tut mir leid …«
    »Schon gut. Ich denke, der Garten hat seinen Zweck erfüllt. Und außerdem ist er im Formspeicher abgelegt.« El'Kalentar berührte die kleine Eidechse in seiner Stirn, und die vielen schwarzen Steine mit den weißen Linien darin erschimmerten und verschwanden, von einem Transferfeld fortgetragen oder in die energetische Matrix zurückverwandelt, die sie geschaffen hatte. Die transparente Decke trübte sich, und wo eben noch die brusthohe Säule gewesen war, auf die er den letzten Stein gelegt hatte, erschienen zwei Sessel vor einem ovalen Tisch. El'Kalentar nahm im rechten Platz und deutete auf den linken. »Setzen Sie sich, Präfekt.«
    Akir Tahlon kam, noch immer benommen und bestürzt, der Aufforderung nach.
    »Wie viele Meriten fehlen Ihnen noch, Präfekt?«, fragte der Erlauchte.
    »Fünftausend«, brachte Tahlon hervor.
    »Und wie viel Zeit bleibt Ihnen?«
    »Noch zwei Jahre bis zur letzten Therapie, Exzellenz.«
    El'Kalentar nickte kurz. »Also wird, wenn alles gut geht, aus Ihrer Residenz auf Taschka bald ein Domizil.«
    Wenn alles gut geht, dachte Tahlon. »Ja, Exzellenz.«
    »Was derzeit geschieht …«, sagte El'Kalentar, und es lag eine gewisse Schwere in seiner Stimme. »Es gibt Ihnen Gelegenheit, fünfzigtausend oder sogar fünfhunderttausend Meriten zu verdienen, wie mir Jae versichert hat. In dieser Hinsicht brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. In anderer schon. Wir alle.«
    Er winkte, und das Gesteninterface seines Domizils reagierte sofort. Es wurde dunkel, und die letzten Eindrücke von Schnee und Eis außerhalb der Villa verschwanden, obwohl Wände und Decke ihre Substanz zu verlieren schienen. Schematische Darstellungen nahmen ihren Platz ein, komplexer als die größten, ältesten Filigrane, begleitet von Informationskolonnen, die auf den visuellen Fokus des Betrachters reagierten und die betreffenden Stellen in den Vordergrund rückten. Sonnen, Planeten und Habitate dehnten sich aus, mit Datenfenstern, die über ihre Besonderheiten Auskunft gaben, und sie schrumpften wieder und wurden zu Punkten in den miteinander verflochtenen Gespinsten aus bunten Fäden und Linien, wenn Tahlons Blick weiterwanderte. Die Darstellungen beschränkten sich nicht allein auf die Milchstraße. Die Wurmlöcher einiger Filigrane führten in andere Galaxien, unter ihnen die beiden Magellan'schen

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