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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Direktoriat«, fuhr El'Kalentar fort. »Wenn sie nicht mehr für den Transport zur Verfügung stehen, sind die Welten mit längeren Transportwegen eher von der Krise betroffen als andere.«
    Neue Linien bildeten sich, silbern und golden, formten noch komplexere Gespinste als jene, die sie zuvor gesehen hatten. »Ein überaus kompliziertes logistisches Problem bei wie vielen Planeten, Präfekt?«
    »Vierzehntausendneunhundertzehn, Exzellenz«, sagte Tahlon und hatte das schreckliche Gefühl, dass sich in ihm eine große Leere auftat, die seine Gedanken so gierig ansaugte wie eine Singularität Materie und Licht. Das Blut wich ihm aus dem plötzlich kalt und feucht gewordenen Gesicht. Instinktiv versuchte er, seine Erweiterungen zu aktivieren, aber im Neutralisierungsfeld des Domizils reagierten sie natürlich nicht.
    Er erahnte das wahre Ausmaß des Problems und kam sich vor wie jemand, der dicht vor einem gewaltigen Abgrund stand, einer enormen bodenlosen Tiefe, die er bisher lediglich für ein Tal gehalten hatte.
    »Sie haben es erkannt, nicht wahr, Tahlon? Unser größtes Problem. Nicht die Schwierigkeiten bei der Ressourcenverteilung, nicht die Versorgungsengpässe auf vielen Planeten. Das größte Problem ist: Wenn die Filigrane ausfallen, können die Magister nicht mehr miteinander kommunizieren. Was wäre unsere Welt ohne die Magister?«, fragte El'Kalentar und unterstrich diese Worte mit einer Geste, die nicht nur Taschka galt, sondern allen fast fünfzehntausend Planeten des Direktoriats. Vielleicht meinte er auch die übrigen Völker und Zivilisationen in der Milchstraße, denn dort gab es ebenfalls Magister, obwohl man sie anders nannte. Jae und die anderen sprachen auch mit ihnen, wie es hieß. Ihre Regeln waren es, die den Menschen seit vielen Jahrhunderten Ordnung schenkten. Die interstellaren Gesellschaftsstrukturen, nicht nur im Direktoriat, entwickelten sich nach ihren Richtlinien. Es war ihr kluger Weitblick, der Probleme voraussah und sie löste, bevor sie zu Krisen führen konnten. Es war die leitende, schützende Hand der Magister, die es der Menschheit ermöglicht hatte, seit den verheerenden Filigran-Kriegen vor fünftausend Jahren in Frieden zu leben.
    Vielleicht, flüsterte ein von Ehrfurcht begleiteter Gedanke in Tahlon, war El'Kalentar alt genug, jene Kriege selbst erlebt zu haben.
    »Ohne die Magister würde unsere Welt nicht existieren«, beantwortete der Erlauchte seine Frage selbst. »Industrie, Forschung und Wissenschaft, die Logistik der Distribution, unsere soziale Infrastruktur – wir verwalten alles mithilfe der Magister. Doch eigentlich ist das ein Euphemismus, Präfekt. Denn ohne die Hilfe der Magister könnten wir überhaupt nichts verwalten. Unsere Welt ist einfach zu kompliziert. Das gilt auch für den Kampf gegen den Tod.«
    Tahlon hatte auf die Wand gestarrt, ohne die vielen leuchtenden Punkte und die Farbringe mit den Entfernungsvektoren zu sehen. Die letzten Worte des Erlauchten veranlassten ihn, den Kopf zu drehen und El'Kalentar anzusehen. Neuer Schrecken erfasste ihn, diesmal auf einer noch direkteren, persönlichen Ebene.
    »Es ist kein leichter Kampf«, sagte der Vorsitzende des Direktoriats. »Obwohl wir den Sieg über den Tod schon vor langer Zeit errungen haben, noch vor den Filigran-Kriegen, müssen wir ständig auf der Hut sein, denn der Tod liegt immerzu auf der Lauer und würde jede Gelegenheit zu einer Revanche nutzen.«
    El'Kalentar hob die Hand, schmal und lang, drehte sie langsam und betrachtete sie dabei. »Dies sind keine auf Selbsterneuerung programmierten Polymere. Es ist auch nicht die Pseudomaterie eines quasilebendigen Avatars. Was wir hier sehen, sind lebendige Zellen, geschaffen vom Bauplan der DNS, aber mit der Fähigkeit, sich unendlich oft zu teilen. Unsere Wissenschaft hat den Tod aus ihnen herausgeschnitten. Aber …«
    Tahlon spürte erneut den durchdringenden Blick des Unsterblichen und wollte den Kopf senken, war aber nicht dazu imstande.
    »Aber, Exzellenz?«, fragte er, als die Stille andauerte.
    »Diese Zellen, die nicht mehr sterben … Sie sind launisch und kapriziös, Tahlon. Noch launischer und kapriziöser als die Zellen eines Kandidaten zwischen den Therapien. Manchmal scheint es, als hätten sie einen eigenen Willen, den sie unbedingt durchsetzen wollen.«
    »Krankheiten«, sagte Akir Tahlon leise. »Ich habe davon gehört.«
    El'Kalentar ließ die Hand sinken, und von der roten Eidechse in seiner Stirn kam erneut ein leises

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