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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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niemand mehr reiste.
    »Wann ist die Kolakona in den Transit gegangen?«, fragte er.
    »Vor zehn Stunden.«
    »Ein halber Tag«, sagte Tahlon. »Und für das Schiff sind mindestens vierhundert Jahre vergangen, während es sich dort drin befand.« Er deutete zum Filigran und dem spinnenartigen Weber, der über Port und Magister an einem der Hauptstränge entlangkroch.
    »Es könnten sogar doppelt so viele Jahre sein, Präfekt.« Ranidis am Hals zusammengefaltete Kiemen zitterten, als er auf die Displayfelder deutete. »Darauf deuten die ersten Ergebnisse der Untersuchungen an Bord hin.«
    Akir hob die Hand zu einer vagen Geste. »Ich habe hier genug gesehen, Ranidi. Bringen Sie mich zum Port zurück. Ich möchte mit dem Magister sprechen.«
    »Ja, Präfekt.«
     
     
    Dies war das Herz des Magisters Jae von Hajok, dessen voller Name Jae-al-Escoe-Hoivinio-tan-Mauleon-Caliquire-tan-Nesluzan lautete: der Distributor, der all die Quantenkerne in den Hunderte Kilometer langen Denksegmenten mit Energie versorgte. Ihr Summen lag wie eine Melodie in der Luft, ein Lied noch älter als die ältesten Erlauchten auf den Hohen Welten, wusste Akir Tahlon, als er sich dem leuchtenden, leise singenden Ellipsoid näherte. Jae war vor zehntausend Jahren vom Seeder zur Emergenz geworden, und einige hundert Jahre später zum Magister, Teil einer Gemeinschaft, die sich durch die ganze Milchstraße und darüber hinaus erstreckte. Und hier stand er, Akir Tahlon, Resident, dreihundertzwanzig Jahre alt und nur noch fünftausend Meriten von der Unsterblichkeit entfernt, einer der mächtigsten Männer des Direktoriats, gleich nach den Erlauchten, und kam sich klein und unbedeutend vor. Alle Gefühle, die er jemals empfunden, alle Gedanken, die er jemals gedacht hatte, alle seine Erlebnisse und Erfahrungen von Geburt an bis zu diesem Moment – Jae hätte sie innerhalb weniger Nanosekunden verarbeiten und auswerten können.
    »Sie hätten nicht selbst hierherkommen müssen, Resident«, ertönte eine Stimme. Tahlon stellte sich vor, dass sie ihren Ursprung in dem wie Perlmutt schimmernden Ellipsoid vor ihm hatte. Kristallene Stränge gingen davon aus, wie die Energiebahnen des Filigrans, und verschwanden in den Wänden.
    »Ich halte es für meine Pflicht, Sie persönlich zu informieren, Magister«, erwiderte Akir Tahlon. »Das Filigran muss für den Verkehr geschlossen werden. Genaue Untersuchungen sind nötig. Ich fürchte sogar, dass eine völlige Schließung nötig wird. Das könnte Ihre Kommunikation mit den anderen Magistern beeinträchtigen.«
    Das Summen veränderte sich ein wenig, und Tahlon glaubte, im Hintergrund ein wortloses Wispern und Raunen zu hören.
    »Meine Berechnungen zeigen diese Möglichkeit«, erwiderte Jae. »Und viele andere. Dies ist eine Zeit des Wandels, Resident Tahlon. Veränderungen innerhalb von Veränderungen. Alles gerät in Bewegung. Was erstarrt ist, kehrt in einen sich verzweigenden Ereignisstrom zurück.«
    Die Stimme verklang, und für einige Sekunden war nur das Summen der Energie zu hören, die Myriaden Gedanken schuf. Tahlon wartete respektvoll. Dieses Gespräch war erst dann zu Ende, wenn der Magister darauf hinwies.
    Das Schweigen dauerte nur kurz, aber es gab Jae Gelegenheit, mehr Überlegungen anzustellen als ein Erlauchter in tausend Jahren.
    »Wenn eine Schließung erforderlich wird, schicke ich meine einzelnen Module vor dem Kollaps der Wurmlöcher durchs Filigran«, sagte Jae. »Oder ich lasse mich von einem interstellaren Schiff zum nächsten Filigran bringen. Resident Tahlon …«
    »Ja?«
    »Sind Sie mit dem Chaos vertraut, Resident?«
    »Das Leben ist organisiertes Chaos«, erwiderte Tahlon nach kurzem, verwundertem Zögern.
    »So lautet eine Theorie. Ich bin kein biologisches Wesen, und doch entstamme auch ich einem nichtlinearen dynamischen System. Wie können aus Chaos geordnete Strukturen entstehen?«
    »Durch zufällige Anordnung bestimmter Schlüsselelemente und die ihnen innewohnende Tendenz zur Selbstorganisation?«
    »Damit beziehen Sie sich wieder auf eine allgemein anerkannte Theorie, die der Evolution.«
    Tahlons Verwunderung wuchs. Wollte Jae wirklich eine philosophische Diskussion mit ihm führen?
    »Was halten Sie vom Zufall, Resident?«
    »Es gibt keinen Zufall«, sagte Tahlon sofort.
    »Sind Sie sicher?«
    »Zufall ist die Bezeichnung für einen Faktor, der in den kausalen Mustern von Ursache und Wirkung eine wichtige Rolle spielen kann, sich aber unserer Beobachtung

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