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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Adern und verbrannte die Muskeln …
    Plötzlich konnte er nicht mehr atmen. Von eisiger Kälte umgeben lag er da, auf einer dunklen harten Fläche, und über ihm, seltsam nah, leuchteten Sterne am schwarzen Himmel. Manche von ihnen bewegten sich: Raumschiffe und Orbit-Ports in niedrigen Umlaufbahnen. Die Osmosemaske bemühte sich, ihn vor dem Unterdruck zu schützen, der ihm die Luft aus den Lungen saugte, und bevor sie sich über den Augen schloss, sah er eine Gestalt, die sich neben ihm aufrichtete, in den Händen einen kleinen grauschwarzen Kasten, die eine Hälfte des Gesichts verbrannt und voller Blasen. Etwas flackerte, Transferenergie schimmerte aus einem Riss in der Luft, ein zweiter Sturz ins Nichts …
    Es folgten einige Sekunden – oder vielleicht Stunden? Tage? – der Inkohärenz. Dann … eine Stimme:
    »Wir haben sie!«
    Es zischte, und etwas stieß Esebian nach vorn. Arme fingen ihn auf und hielten ihn fest, als seine Knie nachgaben. Neben ihm stöhnte jemand, und durch die verkrusteten Maskenschlitze über den Augen sah er Titus Magobb, die rechte Seite seines Gesichts tatsächlich verbrannt. Er hob den grauschwarzen Kasten und schaltete die Transitweiche aus. An dem Modul mit der Möbiusschleife glomm ein winziges Licht.
    »Wir sind am Ziel«, sagte er mit erstaunlich fester Stimme und stand da, ohne dass ihn jemand stützte. Die Brandblasen an Schläfe und Wange bildeten sich bereits zurück. »Und wir haben sie.« Er hob das Gerät und meinte die Möbiusschleife.
    »Ist sie da drin?«, fragte Esebian und spürte, wie der Halbsymbiont der Osmosemaske tot von ihm abfiel. Der Staub von Nanomaschinen rieselte aus einem Riss in seiner Haut.
    »Ja.« Und nach einer kurzen Pause: »Glaube ich jedenfalls.«
    Die Arme, die Esebian aufgefangen hatten, wollten ihn zu einer nahen Diagnoseliege führen, aber er stieß sie beiseite, nicht energisch, sondern eher schwach. »Es ist alles in Ordnung mit mir. Ich …«
    Es war nicht alles in Ordnung mit ihm. Trotz der Erweiterungen wurde ihm schwarz vor Augen, und die freundlichen Arme fingen ihn zum zweiten Mal auf.

 
48
     
    »Wir atmen den Parasiten ein«, sagte Esebian, als sie draußen auf der Veranda saßen und beobachteten, wie Lahors Sonne hinter einem der Sieben Schimmernden Wasser unterging. Von zwei Bergrücken flankiert erstreckte sich der See bis zum Horizont, wo Chhor ein glühendes, flammendes Gemälde malte, in dem Türkis und Lapislazuli dominierten. Erste Sterne erschienen am Himmel, den Esebian schon einmal gesehen hatte, während der kurzen Zwischenstation auf dem Stratosphärenbalkon einer Pyramidenstadt.
    »Sie können einen Atemfilter bekommen, wenn Sie möchten«, sagte Titus Magobb, der auf dem anderen Stuhl am kleinen Tisch aus echtem Holz saß. Das Summen kleiner Insektoiden kam aus dem hohen, schilfartigen Gras am See, über dem in der Ferne einige Lichter glühten. Es stammte von der Künstlersiedlung auf einer der kleinen Inseln. Esebian wusste: Selbst mit besonders leistungsfähigen visuellen Erweiterungen konnte man sie von dort aus nicht sehen – ein Tarnfeld gaukelte Beobachtern einen grasbewachsenen Hang vor, wo sich der Eingang der Station befand. »Aber sie könnten den Parasiten wochenlang atmen, ohne etwas befürchten zu müssen. Gefährlich wird es erst, wenn man ihm Monate und länger ausgesetzt ist, wie die Leute dort drüben. Und die anderen hier im Norden.«
    Esebian blickte über den See, der sich in Silber zu verwandeln schien. Die Reflexionen der Sterne vermischten sich mit dem Licht, das von der einen Insel kam.
    »Was ist beim Transfer passiert?«, fragte er schließlich. »Was ist schiefgegangen?«
    »Ihre Begleiterin«, sagte Titus. »Sie muss im letzten Moment Verdacht geschöpft haben und hat sich gewehrt.« Er legte den grauschwarzen Kasten auf den Tisch und schob ihn auf Esebian zu. »Wer ist sie?«
    »Das wollte ich Sie gerade fragen. Hat Erebos Ihnen etwas mitgeteilt? Er kündigte Nachforschungen in den Datennetzen an.«
    »Wir wissen nur, dass sie Leandra Covitz heißt und eine Mentalistin ist. Jacinta Frazier hat uns vor ihr gewarnt.« Titus zögerte kurz. »Und auch vor Ihnen.«
    »Was auf Drossos geschehen ist, tut mir leid«, sagte Esebian. »Ich habe Aurora viel zu verdanken.«
    »Wir sind im Bilde«, erwiderte Titus in einem neutralen Tonfall und strich sich kurz über die Gesichtshälfte, die zuvor verletzt gewesen war. Jetzt waren dort keine Brandblasen mehr zu sehen. »Ich bin sicher, dass

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