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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Isaac DelMeo durch den Park des Therapiezentrums von Bonville schritt, zwischen Himmel und Erde. Die TZ-Terrasse der Pyramidenstadt erstreckte sich in einer Höhe von tausend Metern, war fast fünfhundert Meter breit und über dreißig Kilometer lang – sie umgab das ganze Gebäude, dessen obere Bereiche bis in Lahors Stratosphäre ragten. Eine Brüstung säumte die Terrasse, und dahinter zeigte sich das vage Funkeln eines Sperrfelds, das vor allem als Wetterschirm diente – an diesem Morgen hielt es strömenden Regen fern. Oben klammerten sich dunkle Wolken an die Stadt, krochen tiefer und versuchten, auch die Therapieterrasse zu erreichen, doch das Sperrfeld lenkte sie und ihre Regenlasten ab. Tief unten gruben sich stählerne Ungeheuer in die Kruste des Planeten, jedes von ihnen mehrere Kilometer groß und von Drohnen der Magister gelenkt. Sie schickten sich an, Lahor den Maschinenkern einer Hohen Welt zu verpassen.
    »Hier regnet es nur zwei- oder dreimal im Jahr, Konsul«, sagte die Fürsorgerin, die Esebian begleitete. Sie war etwa vierzig Scheinjahre alt und trug die himmelblaue Uniform mit den Kreisen des Ewigkeitssymbols. »Nehmen Sie es als ein gutes Omen für Ihren vorletzten Aufstieg.« Das Lächeln schien auf ihren Lippen zu kleben, als sie die Besonderheiten des Therapiezentrums von Bonville erklärte und darauf hinwies, was ihn erwartete. Esebian kannte die Prozedur, achtete kaum auf die Worte und sah sich um. Der Transferitor war bereits zwischen den Bäumen hinter ihnen verschwunden, und hohe Hecken hinderten ihn daran, die ganze Terrasse zu überblicken. Nur wenige Personen waren unterwegs, und er schien weit und breit der einzige Kandidat zu sein, den eine Behandlung erwartete. Das schürte die Unruhe in ihm, denn je weniger Menschen an diesem Ort unterwegs waren, desto mehr Handlungsspielraum bekam Tirrhel.
    Sie näherten sich einem niedrigen Gebäude, weiß wie Esebians Umhang, der ebenfalls das Ewigkeitssymbol trug, Kreise aus Gold und Silber. Die Fürsorgerin – ihren Namen hatte er bereits vergessen – sprach noch immer, aber er hörte nicht hin und erinnerte sich daran, wie oft er in seinem Haus über den Experimentalseen von Angar an diesen Moment gedacht hatte. Der vorletzte Aufstieg. Zum Residenten. Verlängerung des Lebens und nur noch eine Stufe von der Unsterblichkeit entfernt.
    Aber es war auch möglich, dass in jenem so unscheinbar wirkenden weißen Gebäude der Tod auf ihn wartete. Er versuchte, nicht daran zu denken, was alles schiefgehen konnte.
    Leise Musik erklang, als sie das Gebäude betraten. Mehrere Männer und Frauen erwarteten ihn. Sie alle trugen die himmelblauen Uniformen des TZ-Personals, und wie die Frau, an deren Namen sich Esebian nicht mehr entsann, lächelten sie immerzu. Weder im Eingangsbereich noch in den Zimmern, deren Türen offen standen, hielten sich andere Kandidaten auf. Wo war Tirrhel? Befand er sich bereits in der Nähe? Oder hatte er jemand anders beauftragt, El'Kalentars Mörder zu eliminieren, vielleicht eine der Personen, die Esebian jetzt zu den Voruntersuchungen führten?
    »Ganz ruhig, Konsul«, sagte ein junger Mann, als sich Esebian auf einer weichen Diagnoseliege ausstreckte. »Inzwischen sollten Sie eigentlich mit dem Vorgang vertraut sein.« Sein Lächeln wurde noch freundlicher. »Entspannen Sie sich.«
    Stattdessen nahm Esebians Anspannung immer mehr zu, denn er wusste, dass gleich ein kritischer Moment kam. Geräte summten um ihn herum, und Mikromaschinen wanderten durch seinen Leib – sie hatten sich selbst aus der Nanosaat des »Begrüßungsgetränks« zusammengebaut, das ihm nach dem Transferitordurchgang gereicht worden war. Wenige Minuten später war es so weit.
    »Sie tragen zahlreiche Erweiterungen in sich, Konsul«, sagte der junge Fürsorger. Sein lächelndes Gesicht erschien über Esebian. »Die Regeln der Privatsphäre verbieten uns natürlich ihre Identifikation, aber wir müssen Sie bitten, alle Erweiterungen zu deaktivieren, sofern sie keine lebenswichtigen vitalen Funktionen betreffen. Haben Sie verstanden, Konsul?«
    Eine leichte Benommenheit hatte Esebian erfasst, hervorgerufen von den chemischen Komponenten der Nanosaat. Er hatte das Gefühl, an Gewicht zu verlieren, und selbst der grauschwarze Kasten mit der Transitweiche und Möbiusschleife – er trug ihn in einer privatversiegelten Tasche des weißen Kandidatenumhangs, zusammen mit einigen Gegenständen, die ihr volles Funktionspotenzial nur in Verbindung mit

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