Kinder der Ewigkeit
seinen aktiven Erweiterungen entfalten konnten – schien leichter zu werden. »Ja, ich habe verstanden«, sagte er. Mit einem gedanklichen Befehl deaktivierte er fast alle Geräte und Instrumente in seinem Innern, unter ihnen natürlich auch die Waffensysteme. Nur zwei Erweiterungen blieben aktiv: ein Aufzeichnungsmodul, das hungrig Daten schluckte, und eine Überwachungskomponente seiner defensiven Systeme. Beide blieben ohne Einfluss auf die Behandlung.
Seine Welt schrumpfte abrupt auf die Grenzen der gewöhnlichen Sinne. Das Summen um ihn herum veränderte sich, und der junge Fürsorger sagte: »Ich danke Ihnen, Konsul. Die Sondierung dauert an. Bitte haben Sie einen Moment Geduld.«
Er spürte die Sondierungssignale nicht, die durch seinen Körper krochen und von den Mikromaschinen und Nanonetzen weitergeleitet wurden. Ebenso wenig merkte er etwas von den Sonden, die sich an seinen Nervensträngen entlanghangelten, auf der Suche nach Verschleißerscheinungen, von denen sie jede Menge finden würden. Esebian fragte sich, was das medizinische Personal von den entsprechenden Anzeigen halten mochte. War es Erebos gelungen, auch diese kleinen Details in der Datei von Isaac DelMeo anzupassen? Er dachte an die interstellare Fahndung nach ihm, an die Crawler, die Magister und Erlauchte zweifellos in die Datennetze geschickt hatten. Lauschten sie auch den Datenströmen des Therapiezentrums von Bonville? Konnten sie die bei ihm festgestellten ausgeprägten zellularen Degenerationserscheinungen mit den Zerfallsymptomen in Verbindung bringen, die bei Esebian zu erwarten waren, dem Mörder des Unsterblichen El'Kalentar? Und was war mit der Struktur seiner DNS? Osmosemaske und Identer hatten seine genetische Signatur getarnt, aber die durch den Körper wandernden Sonden würden den wahren Code seiner Desoxyribonukleotiden entschlüsseln, und der musste mit dem des gesuchten Mörders übereinstimmen. Esebian erinnerte sich an den Hinweis, dass Erebos in den Sicherheitssystemen des Therapiezentrums präsent war, aber vermutlich nicht in Echtzeit, sondern nur mit einem autarken Entscheidungskern; soweit er wusste, verfügten solche Behandlungszentren nicht über quantenverschränkte Verbindungen mit anderen Sonnensystemen.
Nach einer Weile erschien erneut das lächelnde Gesicht über Esebian. »Herzlichen Glückwunsch, Konsul DelMeo. Es ist mir eine große Freude, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass der Therapie nichts im Wege steht. Sind Sie bereit für den Aufstieg zum Residenten?«
Esebian dachte: Klappt es tatsächlich? Und er erwiderte: »Ja, ich bin bereit.«
»Langes Leben«, sagte das lächelnde Gesicht und verschwand aus Esebians Blickfeld.
Musik erklang, aber keine, die für sein Gehör wahrnehmbar gewesen wäre. Es war ein innerer Gesang, angestimmt von den vier Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, und obwohl Esebian ihn schon siebenmal gehört hatte, staunte er erneut über die Schönheit der genetischen Melodie, als sich Apoptose-Eliminatoren und retrovirale Transkriptasen an die Arbeit machten. Selbst in wenigen Jahrzehnten gerieten Erinnerungen, wenn man sie nicht hegte und pflegte, an den Rand des Bewusstseins und sogar darüber hinaus, sinnierte Esebian. Er hatte noch immer keine Gelegenheit gefunden, die ausgelagerten Gedächtnisinhalte wiederaufzunehmen; zweifellos enthielten sie genaue Informationen über seine Erlebnisse bei den anderen Therapien. Zeit verstrich, während Esebian auf den Schwingungen der inneren Musik flog, über imaginäre Landschaften hinweg, die ihm ein Gefühl tiefen Friedens vermittelten. Er fragte sich – und er war sicher, dass er sich dies auch bei den früheren Therapien gefragt hatte –, ob die Unsterblichen immer auf diese Weise empfanden, ob sie immer erfüllt waren von dieser Ruhe, die aus dem Wissen wuchs, unendlich viel Zeit zu haben, für alles, für jeden noch so kleinen Wunsch, für die winzigste aller kleinen Ideen. Zeit für alles , wenn nicht jetzt, dann später, in zehn Jahren, in hundert oder tausend.
Die sanften Melodien des Lebens trugen ihn fort vom Tod, und er dachte: Es funktioniert tatsächlich. Über zwanzig Jahre hatten Erebos und Aurora auf Lahor daran gearbeitet – ein einzigartiges Geschenk, ein wichtiges Stück auf dem Weg zur Unsterblichkeit.
Aber niemand verschenkte etwas so Kostbares, ohne sich einen Vorteil davon zu versprechen …
Esebian glaubte zuerst, dass dieser argwöhnische Gedanke von den Stimmen seiner früheren Leben kam, doch
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