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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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eisig. »Dies ist eine Tagung des Direktoriats.«
    Ranidi nickte dem Präfekten kurz zu, ging zur Tür und verließ den Versammlungssaal.
    »Nun?«, fragte El'Farah. »Sie haben die Fragen des Vorsitzenden noch nicht beantwortet, Tahlon.«
    Akir Tahlon starrte auf den Text, den ihm die Karte zeigte, und aktivierte dann die q-verschränkte Verbindung. Vor den beiden Unsterblichen entstand ein Displayfeld.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte El'Coradi scharf.
    Tahlon räusperte sich. »Ich berufe mich hiermit auf Paragraph vier, Absatz eins des Traktats und …«
    »Notstand im Direktoriat?«, fragte El'Farah. »So ein Unsinn! Wir …«
    »… und halte es für erforderlich, die Magister an dieser Sitzung zu beteiligen. Zu diesem Zweck habe ich gerade eine Verbindung mit dem Magisterzentrum in Agreda hergestellt und alle bisherigen Ermittlungsergebnisse übermittelt. Die Ermordung Seiner Exzellenz El'Kalentar steht offenbar in Zusammenhang mit einem Geheimprojekt, das das Machtgleichgewicht und die Sicherheit des Direktoriats bedroht. Oder sollte ich besser sagen: El'Kalentars angebliche Ermordung?«
    »Was soll das heißen?«, fragte einer der anderen Direktoren.
    Tahlon hob die Datenkarte. »Meinen Mitarbeitern ist es gelungen, die Biosignatur zu identifizieren, die wir auf Gevedon gefunden haben. Sie betrifft die Person, die das Netzwerkmitglied Lukas und auch Esebian angegriffen hat. Die Signatur ist mit der El'Kalentars identisch.«
    »Das ist doch absurd!«, ertönte es am Tisch.
    »In diesem Zusammenhang erscheinen mir viele Dinge absurd«, sagte Tahlon. »Was sie aber nicht daran hindert, Teil der Realität eines geheimen Projekts zu sein, das …«
    Das Indikatorlicht verschwand von der Karte, und gleichzeitig veränderten sich die Anzeigen des Displayfelds vor El'Farah und El'Coradi.
    Die quantenverschränkte Verbindung mit Agreda bestand nicht mehr. Sie war vom Magisterzentrum unterbrochen worden.
    El'Farah lächelte humorlos. »Mir scheint, die Magister sind nicht geneigt, sich Ihren Unsinn anzuhören.«
    Tahlon starrte auf die Datenkarte und fühlte sich wie jemand, dessen Rettungsleine gerissen war. Die Quantenverschränkung zwischen den beiden Kommunikationspolen war aufgehoben; ein neuer Kontakt ließ sich nicht herstellen. Warum lassen mich die Magister im Stich?, dachte Akir Tahlon. Es war tatsächlich ein Kronleuchter von der Decke dieses Raums gefallen, noch größer als der im staubigen Saal, doch die auf dem Boden liegenden Splitter stammten nicht von den zerbrochenen kristallenen Kerzen. Es waren vielmehr die Fragmente seines dreihundert Jahre langen Lebens, so viele, dass er sie nicht in einer Nacht zusammensetzen konnte. Die Unterbrechung der q-verschränkten Verbindung nahm ihm die letzte Gewissheit, zerstörte die letzte Barriere vor dem Chaos der Willkür und des Unvorhersehbaren – es schien die Magister nicht zu kümmern, dass sich die Direktoren über ihre Regeln hinwegsetzten.
    Tahlon hatte den Blick gesenkt, und als er ihn wieder hob, sah er die Erlauchten am ovalen Tisch miteinander sprechen.
    Ihre Lippen bewegten sich, es funkelte in jahrtausendealten Augen, und manchmal veränderten sich auch die maskenhaft starren Gesichter. Doch er hörte nur das Grollen des Unwetters und sah das Flackern der Blitze über Cartaya. Ein Dämmfeld hielt die Stimmen der Unsterblichen von ihm fern, und er fragte sich, ob sie gerade seinen Tod beschlossen. Aber damit, dachte er dann, würden die Direktoren vermutlich zu weit gehen. Was auch immer die Magister dazu veranlasst hatte, seinen Versuch zu vereiteln, sie zu Zeugen dieser Versammlung zu machen – sie wussten jetzt Bescheid, und die Ermordung des Präfekten und Ersten Hochkommissars hätten sie sicher nicht einfach hingenommen.
    Er merkte plötzlich, dass sich seine Hände fast krampfhaft fest um die Armlehnen des Sessels auf der schwebenden Plattform geschlossen hatten. Zu fürchten, von den Erlauchten – von den Exzellenzen des Direktoriats! – ermordet zu werden, war absolut grotesk. Einige wenige Sekunden lang gab er sich der wilden Hoffnung hin, dass er vielleicht schlief, an Bord der Concordia während einer Adaptation, oder dass er eine Nachbehandlung der Rekonversion erlebte, was dem Geist Gelegenheit gab, auf die Wanderschaft zu gehen. Aber dann erklang plötzlich El'Coradis Stimme.
    »El'Kalentar ist tot«, sagte er. »Wir alle haben gesehen, wie er starb, wie er von Ihnen ermordet wurde.«
    »Nein, ich …«, krächzte

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