Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
Datenbanken haben wir zahlreiche Pläne gefunden, die die Zukunft des Direktoriats betreffen. Alle diese Pläne haben zwei Punkte gemeinsam. Erstens: Sie beziehen sich auf Szenarien, in denen die Magister keine Rolle mehr spielen. Und zweitens: Sie scheinen mit einem geheimen Projekt in Verbindung zu stehen, das den Namen ›Fouracre‹ trägt. Kann mir jemand von Ihnen sagen, was es damit auf sich hat?«
    Ein besonders naher und heller Blitz verscheuchte die Schatten aus dem Raum und verwandelte die Gesichter der Unsterblichen in Fratzen. El'Farah und El'Coradi wechselten einen Blick.
    »Haben Sie … Ihre Informationen an die Magister weitergegeben?«, fragte El'Coradi mit kühler Ruhe.
    Für einen Moment glaubte Tahlon in der Frage eine unterschwellige Drohung zu vernehmen.
    Als er darüber nachdachte, kam er sich plötzlich so dumm und naiv vor wie damals vor mehr als zweieinhalb Jahrhunderten, als er noch nicht zum Kandidaten geworden war. So unglaublich und empörend die Ermordung eines Unsterblichen, noch dazu des Direktoriatsvorsitzenden, auch gewesen sein mochte – neben der Entführung von insgesamt neun Seedern und der absichtlichen Destabilisierung der Filigrane verblasste sie fast zu Bedeutungslosigkeit. Wenn dies alles irgendwie zusammengehörte – und Tahlon glaubte nicht an voneinander unabhängige Zufälle in dieser Größenordnung –, wenn »Fouracre« die Verbindung darstellte … Wie viel war dann das Leben eines Sterblichen wert, der auf ein Projekt von solcher Tragweite gestoßen war, auf ein Projekt, das geheim bleiben musste? El'Farahs Worte fielen ihm ein: Sie ahnen nicht, worauf Sie sich eingelassen haben. Das Gespräch mit ihr hatte er aufgezeichnet, um sich abzusichern und in der Lage zu sein, seine Entscheidungen vor dem Direktoriat zu rechtfertigen. Aber er hatte bisher nicht daran gedacht, dass vielleicht alle Direktoren in diese Sache verwickelt waren. Was, wenn sie hier und jetzt beschlossen, ihn als lästigen Störfaktor zu beseitigen?
    Tahlon saß noch immer im Sessel auf der schwebenden Plattform, aber er hatte plötzlich das Gefühl zu fallen. Dass er nicht auf seine Erweiterungen zurückgreifen konnte, machte alles noch schlimmer, denn ohne sie war er nicht imstande, seine unwillkürlichen Reaktionen zu kontrollieren. Zweifellos wussten die Unsterblichen – Personen mit einer Jahrtausende umfassenden Lebenserfahrung – die gar nicht so subtile Mimik und Körpersprache zu deuten, und ihre Botschaft lautete: Er war zutiefst erschrocken. Würden es diese Männer und Frauen wagen, sich über alle Gesetze von Moral und Ethik – von den Regeln der Magister ganz zu schweigen – hinwegzusetzen und das Leben ihres Präfekten auszulöschen?
    Wie auch immer die Antwort auf diese Frage lautete, Tahlon bekam sie nicht sofort. Die Tür öffnete sich, und ein Sterblicher betrat den Versammlungssaal, ohne von den Erlauchten gerufen worden zu sein. Allein das war erstaunlich genug.
    Tahlon atmete erleichtert auf, als er seinen Assistenten erkannte.
    »Ich bitte um Verzeihung«, sagte Ranidi und eilte am Tisch entlang zur schwebenden Plattform mit dem Sessel. Die Blicke der Unsterblichen folgten ihm. »Ich bringe eine dringende Nachricht für den Präfekten.«
    Wieder flackerte ein Blitz aus den dunklen Wolken über Cartaya, und sein Licht verwandelte das Innere des großen Raums für einen Sekundenbruchteil in ein schwarzweißes Tableau, das alle Unsterblichen wie Greise erscheinen ließ.
    Die Plattform sank dem Boden entgegen; Ranidi kam die kurze Treppe herauf und reichte Tahlon eine kleine Datenkarte. Der Präfekt nahm sie entgegen und stellte erstaunt fest, dass sie nicht nur eine Nachricht für ihn enthielt, sondern auch eine quantenverschränkte Verbindung, die keinen fernen Ort betraf, sondern Agreda, die größte Stadt auf Taschka, und genauer: das dortige Magisterzentrum. Als Tahlon von den Anzeigen aufsah, begegnete er Ranidis Blick, und darin lag eine weitere Botschaft. Falls Sie hier in Schwierigkeiten geraten.
    »Danke«, sagte er, mit etwas mehr Nachdruck als sonst. Ranidi, der immer an alles dachte, hatte auch dies berücksichtigt: dass der Präfekt vielleicht in eine Situation geriet, die Hilfe von höchster Stelle erforderte, von den Magistern. Und quantenverschränkte Verbindungen ließen sich nicht abschirmen, nicht einmal mit der hier präsenten Erlauchten-Technik.
    »Wenn Sie die dringende Nachricht übergeben haben, so verlassen Sie bitte den Raum«, sagte El'Coradi

Weitere Kostenlose Bücher