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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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individuelle Merkmale, aber Esebian stellte sich Calebs strenge Miene vor, ein nachsichtiges Lächeln bei Gunder und einen neugierigen Blick von Talanna. Es erstaunte ihn noch immer, dass er Esebian geblieben war, obwohl die anderen in ihm, die Mörder, nicht mehr schliefen. Natürlich waren ihre Erinnerungen auch die seinen, untrennbar mit ihm selbst verbunden – er stellte das Ergebnis der Erfahrungen dar, die sie in zweieinhalb Jahrhunderten gesammelt hatten. Und doch fühlte er sich ein wenig von ihnen getrennt, vielleicht als Reifster der vielen, die er gewesen war.
    Fang nicht schon wieder damit an, Esebian , sagte Caleb scharf. Diese Gedanken führen zu nichts. Lass uns lieber feststellen, was die Crawler herausgefunden haben. Machen wir uns an die Arbeit.
    Mehrere Ethikwächter und Observanten, die im Auftrag der Magister über die Einhaltung der Regeln wachten, standen bei den Eingängen und begrüßten die Besucher. Als Esebian durch den für Kandidaten reservierten Zugang trat, nickte ihm ein junger Mann mit schulterlangem rabenschwarzem Haar zu und sagte: »Langes Leben, Konsul.«
    »Langes Leben«, erwiderte er automatisch, und einige weitere Schritte brachten ihn ins Foyer des Archivs. Ohne zu zögern ging er an den Gruppen vorbei, die sich vor den Display- und Akustikfeldern der Auskunftsstellen bildeten. Ein persönliches Indikatorlicht zeigte ihm den Weg, vorbei an den Treppen und Gravsäulen, in denen Besucher nach unten oder nach oben schwebten, durch den Kandidatenflur und zu einem Archivzimmer, das die Filiale schon bei seiner Ankunft für ihn reserviert hatte. Es war ein kleiner Raum, nicht größer als zehn Quadratmeter, mit schwarzen Sensorwänden und vorn einer Fensterwand, durch die man ins Zentrum der Filiale sehen konnte, einen etwa hundert Meter durchmessenden zylinderförmigen Hohlraum, der fast drei Kilometer weit in die Tiefe reichte. An den Wänden reihten sich zahllose Archivzimmer aneinander, und aus denen, die gerade benutzt wurden, fiel Licht auf den Obelisken, der genau in der Mitte des Hohlraums von ganz unten aufragte: ein dreitausend Meter hoher Gigant, der Millionen gespeicherter Leben enthielt.
    Und der Zugang zu den interstellaren Datennetzen gewährte – darauf kam es Esebian an. Er nahm im Sessel bei der Konsole Platz, legte die Hände in die Interface-Mulden und schloss die Augen.
    »Langes Leben, Konsul Esebian«, ertönte eine Stimme. Sie gehörte Chai-Millkven-al-Lekan, einem Seeder, der im Obelisken wohnte und über die Myriaden der dort abgelegten Erinnerungen wachte. »Haben Sie einen besonderen Wunsch? Möchten Sie vor Ihrer nächsten Therapie Teile Ihres Lebens aufzeichnen oder ein vollständiges Backup erstellen?«
    »Nein«, erwiderte Esebian, während seine Erweiterungen die Verbindung herstellten. »Ich bin auf der Suche nach Informationen und möchte eine Datenreise unternehmen.«
    Vertrautes Prickeln ging von den Fingerspitzen aus; die notwendigen Verbindungen waren hergestellt.
    »Begleitet oder allein?«
    »Allein«, sagte Esebian.
    »Gute Reise, Konsul.«
    Esebian öffnete die Augen, sah aber nicht das Archivzimmer, sondern eine andere Art von Filigran, bunt und millionenfach komplexer als die größten von den Webern gesponnenen Filigrane im All, bestehend aus Billionen und Billiarden von dünnen Fäden und dicken Strängen. In jedem Faden und in jedem Strang flüsterten Billionen und Billiarden von Stimmen, und jede dieser Stimmen war ein Datenstrom. Zwischen den Fäden und Strängen bewegten sich vage Schemen, grauschwarze Schatten in einer Welt der Farben. Es waren andere Besucher, Datenreisende in den interstellaren Netzen, fast so zahlreich wie die Verbindungen, und manche von ihnen kamen Esebian so nahe, dass er die Konturen von Körpern und Gliedmaßen erkennen konnte. Die Gesichter blieben verschwommen, geschützt durch Anonymität.
    Die gleiche Anonymität, von den Regeln garantiert, verhinderte Esebians Identifizierung durch andere Besucher. Allerdings wusste er nicht, wie weit der Einfluss der Seeder ging, die in den Archiven die Datenströme kontrollierten, und die Neugier der Magister, deren Augen und Ohren sich an vielen Orten in den Datenströmen befanden. Deshalb schirmte er sich mit einer speziellen kryptographischen Erweiterung ab und verwendete außerdem einen Spurentilger, der dafür sorgte, dass bei den von ihm berührten Daten keine individuellen Signaturen zurückblieben – er hinterließ keine Fingerabdrücke.
    Wenn er weit

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