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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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nach Verdächtigem. Schirm- und Neutralisierungsfelder bildeten gestaffelte Sicherheitszonen. Das große Gebäude, das aussah wie aus Dutzenden von Kristallkugeln zusammengesetzt, verwandelte sich in eine Festung. Neunundvierzig Direktoren saßen oder standen am runden Tisch in der von roten Lebensfäden durchzogenen Konferenzmulde. Einer fehlte. Einer war tot. Ein Unsterblicher war ermordet worden.
    Der Vorfall war so ungeheuerlich, dass es Akir Tahlon noch immer schwerfiel, ihn für real zu halten. Mehr als einmal ertappte er sich bei der Hoffnung, von einem schrecklichen Traum in einen anderen geraten zu sein, denn dies hätte bedeutet, dass die Welt, die er kannte und schätzte, nicht plötzlich verrückt spielte.
    »Akir Tahlon«, erklang eine Stimme, so kräftig und laut, dass sie vielleicht auch in anderen Räumen des Verwaltungszentrums zu hören war, »Präfekt der Hohen Welten und Erster Hochkommissar – es steht fest, dass Sie Seine Exzellenz El'Kalentar ermordet haben, den Vorsitzenden dieses Direktoriats.«
    »Ich bin … unschuldig«, brachte Tahlon hervor und fühlte sich plötzlich wieder schwach. Die Anklage war ein Schlag ins Gesicht.
    »Natürlich sind Sie unschuldig«, sagte eine hochgewachsene, hagere Direktorin, die nur halb so alt war wie der ermordete El'Kalentar, gut dreitausend Jahre. Ihr Haar leuchtete rot und orange und bildete einen Turm auf dem Kopf. El'Farah, ebenfalls von Taschka. Eine politische Freundin des Toten, wusste Tahlon, der alle Mitglieder des Direktoriats kannte. Über hundert Jahre lang hatte er Gelegenheit gehabt, sie kennenzulernen, ihre Positionen auf den Hohen Welten und im Direktoriat einzuschätzen. Er hatte sogar diskrete Recherchen durchgeführt, wie sie nur einem Präfekten und Hochkommissar möglich waren, in Vorbereitung auf die eigene Unsterblichkeit. Aber jetzt fiel es ihm plötzlich schwer, sich an Einzelheiten zu erinnern, und die meisten Gesichter wirkten verschwommen, ohne individuelle Züge. War sein Gedächtnis beschädigt? Oder lag es am Schock, so kurz nach der Rückkehr vom Tod?
    »Die Tat hat eine Kopie von Ihnen begangen, gesteuert von einem projizierten Bewusstsein«, fuhr El'Farah fort. »Ihre DNS wurde zum Instrument des Mörders, Präfekt.«
    Tahlon sah auf. Mehrere große Displayfelder schwebten dicht über dem großen runden Tisch. Einer zeigte aufgezeichnete Bilder vom Geschehen beim Friedhof außerhalb der Gläsernen Stadt, während der Zeremonie der aufsteigenden Seelen. Tahlon sah sich selbst, wie er El'Kalentar die Hand reichte und einen irreversiblen Zellbrand auslöste. Die anderen Felder präsentierten Bilder, die eine Observantengruppe bei und in einem Villenkomplex auf einem Lebensfelsen gemacht hatte. Tahlon hatte sie schon mehrmals gesehen: Gerätschaften in einem abgesicherten Zimmer, Reste von Proteinbrei, zwei Fliehende und ein kurzes Flackern, das von einem defekten Transferitor stammte.
    »Ich habe ihn gesehen«, sagte er leise. Das Akustikfeld vor seinen Lippen verstärkte die Stimme und ließ sie fast so laut klingen wie die des Erlauchten, der ihn des Mordes bezichtigt hatte.
    »Wen haben Sie gesehen, Präfekt?«, fragte El'Farah.
    »Den Mörder. Ich habe ihn gesehen, als ich nach dem … Unfall in Lapinta behandelt wurde. Während ich dort im Rekonvaleszenztank lag … Einmal erwachte ich und sah den Mann, wie er sich über mich beugte. Offenbar hat er bei jener Gelegenheit meine DNS gestohlen, um eine Kopie zu züchten.«
    Das war eine weitere wichtige Information, dachte er. Der Mann – der Mörder – musste als Patient im medizinischen Zentrum von Lapinta gewesen sein; einen nicht identifizierten Besucher von außerhalb hätte man nicht zu ihm gelassen. Ein Patient mit Kandidatenprivileg.
    »Wir wissen, wer El'Kalentar umgebracht hat«, sagte ein anderer der sieben physisch präsenten Direktoren. »Wir haben ihn identifiziert. Es ist der Konsul namens Esebian, der bis vor kurzer Zeit FEK-Forschungen auf Angar im Haredion-System betrieb.«
    »Ihm gelang die Flucht.«
    »Er verschwand durch einen defekten Transferitor, zusammen mit einer Frau, die ebenfalls identifiziert werden konnte. Sie heißt Leandra und stammt aus den Gemischten Gebieten.«
    »Was macht ein Konsul in der Gesellschaft einer Person aus den Gemischten Gebieten?«
    »In Hinsicht auf die persönlichen Beziehungen liegen noch keine Informationen vor. Ermittlungen finden statt. Zweifellos wird es bald gelingen, den Mörder namens Esebian zu fassen und

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