Kinder der Nacht
gegangen. Kate hatte ihre einzige große Reisetasche in den Kofferraum des Dacia geworfen und lediglich die Zahnbürste in der Kellerwohnung zurückgelassen.
Als Lucian zum Wagen zurückkam, brauste gerade ein weiteres Feuerwehrauto vorbei. »Das Feuer begann im Keller«, sagte er. »Leichenhalle und medizinische Labors sind völlig vernichtet.« Er setzte sich ans Steuer, Kate ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Die Rauchsäule war jetzt noch dicker.
»Könnte es ein Unfall gewesen sein?« fragte sie.
Lucian trommelte auf das Lenkrad. »Wir müssen davon ausgehen, daß es keiner war. Die Strigoi müssen mich zur Universität verfolgt haben und ihren Mann gefunden haben. Ich bezweifle, daß sie sich die Mühe gemacht haben, ihn herauszuholen, bevor sie das Feuer legten.«
Kate erschauerte bei dem Gedanken, wie sich das Ding in dem Tank wand, während Flammen im Keller loderten. »Was machen wir jetzt?« fragte sie.
Lucian ließ den Dacia an und fuhr zurück zu dem Viertel enger Straßen westlich des Cişmigiu-Park. Er hatte gerade gegenüber ihres Mietshauses angehalten, als Kate sagte: »Fahr weiter.«
Lucian legte den Gang des Dacia ein und fuhr langsam die Straße hinab. »Was ist denn?« sagte er, ohne den Kopf zu drehen.
»Als wir weggefahren sind, war die Jalousie meines Kellerfensters unten«, sagte sie. »Jetzt ist sie oben.«
»Möglicherweise Pater O'Rourke ...«, begann Lucian, dann sagte er: »Scheiße.« Er sah in den Rückspiegel. »Ein Auto verfolgt uns. Es parkte in der Gasse an der Ecke.«
Kate widerstand dem Impuls, sich umzudrehen.
»Ein schwarzer Mercedes«, sagte Lucian. »Wie ihn die Securitate vorzugsweise benutzt.«
»Besonders unauffällig kann es ja nicht sein, Leute in einem Mercedes zu verfolgen«, sagte Kate mit unbekümmerter Stimme. Ihr Herz klopfte, und ihr war ein wenig übel.
»Die Securitate muß nicht unauffällig sein«, sagte Lucian. Er war nach rechts auf die Strada Ştirbei Vodă abgebogen und mußte jetzt warten, als eine Straßenbahn aus einer schmalen Seitenstraße kam und Passagiere einsteigen ließ. Der Gegenverkehr aus der anderen Richtung hinderte ihn am Überholen.
»Verdammt«, flüsterte er, »da ist noch einer.«
Jetzt drehte Kate sich doch um. Unmittelbar hinter der Pferdekutsche hinter ihnen standen zwei schwarze Mercedes-Limousinen. Die Straßenbahn fuhr endlich weiter, und Lucian blieb mit dem Dacia dicht dahinter und wartete auf eine Möglichkeit zu überholen.
»Ich glaube, es ist auch einer vor uns«, sagte er mit völlig tonloser Stimme. »Ja, ein schwarzer Mercedes vor der Straßenbahn. Vier Insassen, genau wie bei denen hinter uns.«
Kate bemühte sich, die in ihrer Brust aufkeimende Panik zu ersticken. »Ist es nicht gut, daß es Securitate sind?« sagte sie. »Keine Strigoi?«
Lucian biß sich auf die Lippe. »Diese Securitate sind wahrscheinlich Strigoi. Oder arbeiten für sie.« Er sah in Seitenstraßen, bog aber nicht ab. Die Kutsche hinter ihnen war abgebogen, der Mercedes jetzt so nahe, daß Kate die Zigaretten der Männer auf dem Vordersitz sehen konnte.
»Wie haben sie uns nur gefunden?« flüsterte Kate. Sie umklammerte ihre Reisetasche und dachte an die Ampullen mit dem Serum darin. So weit waren sie gekommen, und jetzt alles umsonst.
Lucians Stimme klang schroff vor Nervosität. »Vielleicht Ihr Priester? Vielleicht hat er uns verraten, weil wir im Begriff waren, eine Blutprobe zur Botschaft zu bringen. Vielleicht arbeitet er schon die ganze Zeit für die Securitate.«
»Nein«, sagte Kate, aber in ihrem Verstand wirbelten dunkle Möglichkeiten durcheinander. Wo stecken Sie, O'Rourke? »Können wir ihnen entkommen?« sagte sie.
Lucian hatte sich die Lippe blutig gebissen. »Wahrscheinlich haben sie die Stadt abgeriegelt«, sagte er und sah in den Rückspiegel. Plötzlich rumpelte die Straßenbahn in eine Nebenstraße, und ihr Dacia befand sich mitten in einem Konvoi schwarzer Limousinen. Zwei fuhren vor ihnen, zwei dicht hinter ihnen.
»Sie werden uns jeden Moment anhalten«, sagte Lucian. »Irgendwo, wo sie schießen können, wenn es sein muß ... nicht, daß sie nicht auch in einer Menschenmenge schießen würden.« Er hörte auf, sich auf die Lippen zu beißen, und sah einen Moment ins Leere. »Eine Menschenmenge«, sagte er. »Heute morgen sollte eine Demonstration gegen die Regierung stattfinden.« Er grinste beinahe dämonisch. »Festhalten, Kate.«
Sie näherten sich gerade der Calea Victoriei, als Lucian das
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