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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Bukarest zu treffen«, sagte O'Rourke. »Ich habe geschrieben, daß wir uns um neun in der Medizinischen Fakultät treffen würden. Haben Sie meine Nachricht nicht gesehen?«
    »Nein«, sagte Kate. »Da war keine Nachricht.« Sie überquerten die Brücke über den schmalen Kanal zwischen den Lagunen des Parks.
    »Ich habe aber eine dagelassen«, sagte O'Rourke. »Vielleicht hat Lucian sie genommen und Ihnen nichts davon gesagt.«
    »Warum sollte er das tun?«
    Der Priester machte eine Geste mit beiden Händen. »Ich weiß nicht. Aber wir wissen eine ganze Menge nicht über Lucian, oder nicht?«
    Über dich auch nicht, dachte Kate, sagte aber nichts.
    »Wie auch immer, ich habe mit Pater Stoicescu vereinbart, daß er die Probe mit dem J-Virus im Lauf des Vormittags zur amerikanischen Botschaft bringt. Aber als ich zur Medizinischen Fakultät kam, wimmelte es dort vor Polizei und Feuerwehr ... ich habe Stoicescu angerufen und das Treffen abgesagt, dann wollte ich zur Wohnung zurück, aber dort war die Polizei. Ich konnte Männer in das Gebäude gehen sehen, und in der ganzen Straße standen teure Autos.«
    »Die Leute der Securitate fahren Mercedes«, sagte Kate und schilderte ihm den Wahnsinn, der sich in den vergangenen Stunden zugetragen hatte.
    O'Rourke schüttelte den Kopf. »Mir fiel nichts ein, was ich tun könnte, außer hierher in den Park zu kommen und zu hoffen, daß Sie sich an den Treffpunkt erinnern würden.«
    »Fast hätte ich nicht mehr daran gedacht«, sagte Kate. Sie hatten einen der westlichen Eingänge des Parks erreicht. Kate zögerte und wich unter die Bäume zurück. »Da draußen ist es nicht sicher.«
    Der Priester sah zur Straße. »Ich weiß. Wenn die Securitate weiß, wo wir Unterschlupf gefunden hatten, dann müssen die Strigoi auch wissen, daß wir im Land sind ... und warum.«
    »Wie?« fragte Kate. Sie ballte die Hände zu Fäusten.
    O'Rourke schüttelte den Kopf. »Möglicherweise Lucian. Möglicherweise haben die Zigeuner geredet. Möglicherweise eine andere Leichtsinnigkeit ...«
    »Ihre Anrufe bei den Franziskanern?« sagte Kate.
    »Das bezweifle ich. Wir unterhalten uns auf lateinisch, nennen nie richtige Namen und vereinbaren Treffpunkte mit einem alten Kode, den wir ausgearbeitet haben, als ich noch hier in den Waisenhäusern arbeitete.« Er kratzte sich den Bart. »Aber es wäre immer möglich ...«
    »Und spielt jetzt eigentlich auch gar keine Rolle mehr«, sagte Kate. »Ich weiß nur nicht, was wir als nächstes tun sollen. Wenn Lucian geschnappt worden ist ...«
    »Haben Sie gesehen, daß er geschnappt worden ist?«
    »Nein, aber ...«
    »Wenn Polizei oder Securitate ihn verhaftet haben, können wir nichts machen«, sagte O'Rourke. »Und wenn er entkommen ist - was wahrscheinlicher erscheint -, dann hat er in Bukarest eine unendlich größere Chance als wir. Es ist seine Stadt. Und dann ist da noch sein legendärer Orden des Drachen.«
    »Machen Sie sich nicht darüber lustig«, sagte Kate.
    »Nein.« Schritte ertönten hinter einer Hecke, und O'Rourke zog Kate weiter unter die tropfenden Bäume zurück. Zwei Männer in Arbeiterkluft schritten rasch vorbei, ohne einen Blick hinter die Hecke zu werfen. »Ich mache mich nicht darüber lustig, aber ich glaube auch nicht, daß es sich um eine besonders tüchtige Organisation handelt. Sie konnten Lucian nicht einmal sagen, wo die nächste nächtliche Zeremonie der Weihe stattfinden wird.«
    Kate hielt ihren Zorn im Zaum. »Und haben Sie es besser gemacht?«
    »Durchaus«, sagte O'Rourke. »Kommen Sie.« Er nahm Kates Hand und führte sie die Straße entlang zu einem geparkten Motorrad unter einer Plastikplane. Das Motorrad hatte einen Beiwagen, und Kate fand, daß es uralt aussah, wie eine Requisite aus einem Film über den Zweiten Weltkrieg. O'Rourke zog die Plane herunter, legte sie zusammen und schob sie unter den flachen Sitz des Beiwagens. »Steigen Sie ein.«
    Kate war noch nie in einem Beiwagen gefahren - und auch Motorrad nur einige Male mit Tom - und mußte feststellen, daß es nicht einfach war, sich in dem engen Raum zusammenzufalten. Die Windschutzscheibe war gesprungen, vor Alter vergilbt und an hundert Stellen geklebt. Als sie die Beine schließlich so gefaltet hatte, daß sie in dem eiförmigen Raum Platz hatten, gab O'Rourke ihr eine Decke und eine Schutzbrille. »Ziehen Sie die auf.«
    Kate rückte die Brille zurecht und versuchte sich vorzustellen, wie sie mit dem tropfnassen Bauernmantel und dem Schal und diesem

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