Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
Norden. Es war der heißeste Sommer seit Menschengedenken. Wo wir vorbeikamen, blieb kein Stein auf dem anderen. Meine Spione berichteten, daß Mehmeds Janitscharen murrten, weil es in den verkohlten Ruinen unserer Städte nichts mehr zu plündern gab, und in der Asche unserer Bauernhöfe nichts zu essen. Ich ließ Gruben auf dem einzig möglichen Weg vorwärts ausheben, gespitzte Pflöcke eingraben und die Gruben dann mit großer Sorgfalt zudecken. Ich kann mich erinnern, wie ich eines Juniabends bei unserer Nachhut blieb und den Schreien der Kamele des Sultans lauschte, wenn sie in die Gruben fielen. Es war die süßeste Musik.
    Ich führte Angriffe gegen die Masse der türkischen Schweine, wobei ich Wege und Pässe benützte, die nur wenigen meines Volkes bekannt waren, überraschte sie von hinten, brachte ihre Nachzügler und Wagen mit Kranken und Verwundeten in meine Gewalt, wie ein Wolfsrudel die schwächsten der Herde aussucht und reißt, und dann pfählte ich sie so, daß die anderen ihre Leichen finden mußten.
    Ich schickte meine Agenten in die trostlosen Leprakolonien und in die pestverseuchten Schatten meiner noch existierenden Städte und ließ sie türkische Kleidung mitbringen, die die Kranken und Todgeweihten tragen mußten, wenn wir sie ins Lager des Sultans schickten, damit sie sich unter die Janitscharen, Anatolier, Sepoy und Araber mischten, aus deren Kelchen sie tranken und von den gemeinsamen Schüsseln aßen. Ich befahl, daß noch lebende Opfer der Syphilis, des Schwarzen Todes, der Schwindsucht und der Pocken zu den Türken gingen, und ich belohnte sie großzügig, wenn sie mit den Turbanen der Männer zurückkamen, die sie mit tödlichen Krankheiten angesteckt hatten.
    Aber sie rückten unablässig weiter vor, meine Feinde, obwohl sie an Durst und Hunger und Krankheiten zugrunde gingen und Angst hatten, des Nachts in ihren eigenen Lagern zu schlafen, und im Dunkel der Wälder und beim Heulen der Wölfe Entsetzen litten, sie rückten weiter vor. Wir ließen einen einzigen Weg mit Vorräten und unvergifteten Brunnen hinter uns zurück, eine Schneise so deutlich wie eine Pulverspur, die zur Sprengstoffkammer führt.
    Sie wandten sich nach Westen, nach Bukarest, und stellten fest, daß die Stadt menschenleer war und keinerlei Nahrungsmittel bot; sie wichen nach Norden aus, nach Şnagov, wo Hunderte meiner Bojaren und Soldaten auf der befestigten Insel warteten. Mehmed und Radu konnten Şnagov nicht einnehmen. Der See war so tief, daß Männer in Rüstung ihn nicht überqueren konnten, ohne Gefahr zu laufen, zu ertrinken. Und meine Mauern waren hoch und unübe rwindlich, falls es doch einigen gelang, den See zu bezwingen. Mein Kriegsgerät ließ einen verheerenden Regen der Vernichtung auf sie niederprasseln.
    Mehmed folgte mir weiter nach Norden, kehrte Şnagov den Rücken und verdammte weitere Männer zu nächtlichen Angriffen und morgendlichem Pfählen.
    Dann, in der Nacht des 17. Juni im Jahre des Herrn 1462, griff ich Mehmeds Armee nicht mit einem plündernden Stoßtrupp an, sondern mit einer dreizehntausend Mann starken Armee meiner tapfersten Bojaren und deren eigens ausgewählten Soldaten. Wir schlugen die Wachen in die Flucht, teilten die Garnison, erdolchten alle, die versuchten, sich uns in den Weg zu stellen, und stießen durch das Zentrum ihres Lagers wie ein glühendes Schwert durch weiches Fleisch. Wir hatten Fackeln und mit Schießpulver getränkte Fanale mitgebracht; diese zündeten wir an, um das rote Zelt des Sultans zu finden. Ich hatte die unerschütterliche Absicht, den Hund vor Sonnenaufgang persönlich zu töten und sein Blut zu trinken.
    Wir eroberten das rote Zelt und schlachteten alle darin ab, aber es war das falsche rote Zelt. Es war mir kein großer Trost, daß wir Mehmeds zwei Wesire Isaak und Mahmud geköpft hatten. Bis ich meine Männer neu formiert hatte, stürmten die Reiter des Sultans von drei Seiten auf uns ein. Selbst da hätte ich die Schlacht noch für mich entscheiden können, denn Mehmed hatte die Nerven verloren und war aus dem Lager geflohen, seine Infanteristen flohen und mischten sich in kopfloser Verwirrung unter uns, aber einer meiner Kommandanten, ein Bojare namens Gales, verabsäumte es, mit der zweiten Welle von Westen anzugreifen, wie ich es befohlen hatte. Wegen Gales' Feigheit konnte Mehmed entkommen, und meine Streitmacht mußte sich aus dem zuschnappenden Ring der ottomanischen Reiter freikämpfen.
    Dort, im Lager von Mehmed, bekam ich zwei

Weitere Kostenlose Bücher