Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
bei sexistischen Professoren, als junge Ärztin bei Kollegen, die etwas beweisen wollten, und als alleinstehende geschiedene Frau erdulden müssen. Sie kannte ihn nur zu gut.
    »Du weißt, heute nacht wird eine große Party stattfinden«, sagte Ion und legte ihr die riesige Pranke auf das Knie. »Du bist eingeladen ... bist unser Ehrengast.« Er übersetzte für seine Spießgesellen, worauf erneutes Gelächter ertönte.
    Ions Hand glitt an der Innenseite ihrer Schenkel entlang, bis Kate die gefesselten Hände auf die Schenkel preßte und ihn hinderte. Ion sagte etwas, worauf die Männer wieder lachten. Er nahm die Hand weg und zündete sich eine Zigarette an.
    Wäre Kate an einer der Türen gesessen, hätte sie gewartet, bis der Mercedes bremste - was ab und zu vorkam -, und sich aus dem Auto gestürzt. Die Straße hier bestand aus rissigem Beton oder Asphalt, eine Böschung gab es fast nicht, aber springen wäre immer noch besser gewesen, als hier zu sitzen wie eine fette Kuh, die zur Schlachtbank gefahren wurde.
    Aber die Männer saßen rechts und links von ihr, und sie wußte, sie konnte die Tür nicht aufbekommen, bevor sie sie wieder auf die Mitte des Sitzes stießen.
    Sie fuhren durch die Stadt Mediaş, die viel größer als Sighişoara war, aber Kate bekam wenig davon mit, abgesehen von Fabriken, nochmals Fabriken, schmutzigen Bahnhöfen, einem schrecklichen Gestank, der möglicherweise von einer der zahlreichen petrochemischen oder Textilfabriken stammte, und dem flüchtigen Blick auf einen einzigen hohen Kirchturm, der wie ein schwarzer Geist aus der Vergangenheit über die Industrietürme hinausragte. Dann befanden sie sich wieder auf dem Land und fuhren auf der Autobahn 14 nach Sibiu.
    Als sie MEDIAŞ hinter sich ließen, fiel ihr etwas Seltsames auf. Die Schicht einer Fabrik mußte gerade zu Ende sein, und Dutzende, Hunderte Arbeiter standen am Rand der Straße, die aus der häßlichen Stadt hinausführte. Der Verkehr staute sich an einem ungeteerten Abschnitt der Straße, und die vor Ruß und Dreck schwarzen Männer stellten sich vor Dacias und andere Autos und winkten ungeduldig mit den Armen, Handflächen nach unten, als wollten sie den Autofahrern befehlen, zu halten. Kate stellte fest, daß es sich bei der Geste um die rumänische Version des ausgestreckten Anhalterdaumens handelte.
    Die Männer versuchten nicht, den Mercedes anzuhalten. Kate beugte sich nach vorn und hob sogar einmal die gefesselten Hände, damit man sie sehen konnte, aber die Arbeiter wandten die Blicke von dem schwarzen Auto ab. Manche wichen fast furchtsam vom Straßenrand zurück.
    Sie ließen die Stadt hinter sich, und Kate sank auf dem Sitz zurück. Ihr war übel vor Hunger, Durst und einem Ausmaß von Angst, wie sie es sich nie hätte vorstellen können.
    Ein paar Meilen hinter der Stadt legte Ion ihr wieder die dicken Wurstfinger auf den Schenkel. Er sagte etwas zu dem jungen Strigoi rechts von ihr, und danach hatte das Gelächter in dem verrauchten Auto einen neuen, gepreßten Unterton.
    »Mein Freund«, sagte Ion und beugte sich so nahe zu ihr, daß Kate Essensreste zwischen seinen Zähnen sehen konnte, »er sagt, daß er noch nie eine amerikanische Frau gefickt hat.«
    Kate sagte nichts. Sie stellte sich vor, ihr Körper würde aus Rasierklingen bestehen.
    Ion sagte noch etwas und rieb die Hand wieder an ihrem Schenkel. Als sie versuchte, ihn daran zu hindern, schlug er ihre Hände weg. Ion sagte etwas zu dem Mann, der nach Knoblauch roch; einen Augenblick später legte ihr dieser die linke Hand auf den rechten Schenkel.
    Kate schloß die Augen und versuchte, sich an die Kurse in Selbstverteidigung zu erinnern, die sie vor Jahren im Freizeitzentrum von Boulder belegt hatte. Aber ihr fiel nur Toms lakonische Bemerkung ein, als sie einmal mit Muskelkater vom Training gekommen war und sich unbesiegbar gefühlt hatte: »Kat«, hatte er gesagt, »ich muß dir eine schlechte Nachricht mitteilen, die mir mein Daddy einmal gegeben hat - ein böser großer Typ kann einen guten kleinen Typ immer windelweich prügeln. Ich fürchte, selbst wenn du Meister in diesem Treten und Herumfuchteln wirst, wirst du immer ein kleiner Typ bleiben. Also bewaffne dich. Lern mit dem Gewehr umzugehen, das ich im Schrank habe.« Dann hatte er sie in die Arme genommen. »Oder bleib immer in meiner Nähe, Mädchen.«
    Kate schlug die Augen auf. Der Fahrer sah über die Schulter nach hinten. Sein Gesicht war gerötet.
    Ion deutete auf einen Schotterweg,

Weitere Kostenlose Bücher