Kinder der Nacht
HIV-Proben?«
Chandra blinzelte. »Weil wir mit der HIV-Diagnose durch Virendetektion so vertraut sind, benütze ich sie als zweite Kontrolle. Wir nehmen das Blut des Patienten - Entschuldigung, Joshuas - und züchten Kulturen zusammen mit den HIV- und SCID-Schablonen, wobei wir eine CD 4 -Zellenlinie oder normale CD 4 -Lymphozyten benützen, die mit Phytohämaglutinin und IL-2 stimuliert wurden. Bei dem HIV-Virus machen wir eine Analyse auf reverse Transkriptase in einigen Kulturen und auf p24-Antigen in anderen. Dann vergleichen wir das mit den SCID- und Joshua-Kulturen, die wir gleichzeitig angelegt haben.«
»Und das Ergebnis?«
»Reverse Transkriptase ist in den Kulturen des J-Virus deutlich zu erkennen, wenn auch, wie ich schon sagte, ohne die Zytotoxizität. Die p24-Antigenanalyse funktioniert beim J-Virus nicht, was jammerschade ist, da man das Antigen bei HIV-Patienten manchmal durch eine enzymgekoppelte Immunosorbentanalyse direkt in einer Blutprobe nachweisen kann.«
Kate nickte. Sie hatte auch gehofft, daß ihnen diese vergleichsweise einfache Methode der Diagnose zur Verfügung stehen würde.
Chandra fuhr hastig fort, als wollte sie Kate beruhigen: »Wir gehen immer noch davon aus, daß der J-Virus einen J-Antikörper erzeugt, auch wenn die Folgen der Infektion immunrekonstruierend statt immunschwächend sind. Diesen Antikörper müßten wir heute oder morgen für Sie gefunden haben.«
Kate betrachtete das runde Dutzend Techniker, die im äußeren Labor arbeiteten. Obwohl es sich verglichen mit dem inneren Labor der Klasse IV um eine Hemdsärmelumgebung handelte, trugen die Techniker Kittel, Mundschutz, Baumwollüberschuhe und Gummihandschuhe. Kate wußte, daß es sich um ein Drucklabor handelte, in dem der Innendruck unter dem Druck im Rest des Gebäudes lag. Wenn das Labor ein Leck hatte, würde alles nach innen strömen, nicht nach außen. Selbst der offenbar nichttoxische J-Virus wurde für schuldig erachtet, bis seine Unschuld zweifelsfrei bewiesen war.
»Welche Techniken benützen Sie, um den Antikörper zu isolieren?« fragte Kate.
»Das übliche - Enzymimmunoanalyse, Western Blot, Immunofluoreszenz, Radioimmuno-Fällungsanalyse.« Chandras Stimme verriet ihren Eifer, sich wieder an die Arbeit zu machen.
»Prima«, sagte Kate kurz. »Von jetzt an möchte ich tägliche Berichte bekommen - wenn Sie wollen, können Sie Calvin hinter sich her laufen und sie abtippen lassen«, fügte sie hastig hinzu, um möglichen Einwänden vorzubeugen. »Aber Bobs Blutabsorptionsarbeit und meine Hämoglobinstudien sind von Ihren Durchbrüchen abhängig, daher müssen wir tagtäglich auf den neuesten Stand gebracht werden. Und ich möchte jeden Montag und Samstag eine halbstündige persönliche Besprechung.«
Kate sah, wie Zorn in Chandras Augen aufblitzte - aber nicht, weil sie ihre Wochenenden opfern mußte, dessen war Kate ganz sicher, weil sie sowieso an den Wochenenden arbeitete, sondern wegen der Zeitverschwendung, daß sie ihre Arbeit erklären mußte. Aber die berufliche Einsicht gewann die Oberhand über die vorübergehende Verdrossenheit der Forscherin, und sie nickte nur. Immerhin war Kate in der Position, Chandra sämtliche Spielsachen und Spiele wegzunehmen, wenn sie wollte.
Bis zum Freitag, dem 5. September, war der Antikörper des J-Virus isoliert und markiert.
Am Mittwoch, dem 11., hatten sie den J-Retrovirus selbst identifiziert.
Zwei Tage später begann Chandra mit ihren Versuchen, den Retrovirus zu klonen. Am selben Tag enthüllte sie ihren Geheimplan für die Mitkultur der HIV-Proben: Chandra vergeudete keine Zeit und experimentierte mit dem J-Virus als mögliche Heilmethode für AIDS.
Das überraschte Kate nicht; im Gegenteil, sie wäre erstaunt gewesen, wenn die fanatische HIV-Forscherin anders vorgegangen wäre.
Kate hatte keine Einwände, solange das RS-Projekt dadurch nicht behindert wurde.
Alan und Bob Underhill hatten am Donnerstag, dem 19. September, ein hypothetisches Schema des Absorptionsorgans fertiggestellt, und für den 25. September wurde ein Seminar des gesamten Teams anberaumt, damit alle zuhören und ihren Kommentar abgeben konnten. Bei diesem Stand der Dinge war es nur wenig schwieriger, das gesamte Team gleichzeitig in einem Raum zusammenzubekommen, als etwa eine Gipfelkonferenz der zwölf mächtigsten Staatsmänner der Welt zu organisieren, wenn man an jedermanns strenge Anweisung dachte, die Arbeit nicht zu unterbrechen.
Kates eigene Arbeit am
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