Kinder der Nacht
Reiterstandbild weiter südlich an der Terrasse zu.
Kate wußte aus dem Stadtplan, daß die Matthiaskirche in der anderen Richtung lag, und verspürte nicht den geringsten Wunsch, Sehenswürdigkeiten zu bewundern, aber sie merkte an O'Rourkes Stimme und seiner verkrampften Hand auf ihrem Arm, daß etwas nicht stimmte. Sie folgte ihm, ohne Einwände zu erheben.
»Das ist Prinz Eugen von Savoyen«, sagte er, während sie um die riesige Gestalt des Reiters aus dem siebzehnten Jahrhundert herumgingen. Die Aussicht jenseits der Balustrade war atemberaubend: Es war noch nicht einmal halb sieben Uhr abends, aber im Stadtteil Pest leuchteten Straßenlaternen und Verkehr, hell erleuchtete Boote fuhren langsam auf der Donau dahin, und zahllose Glühbirnen, die sich strahlend im Fluß spiegelten, zeichneten die Konturen der Kettenbrücke nach.
»Der Mann in der Nähe der Stufen verfolgt uns«, flüsterte O'Rourke, als sie in den Windschatten der Statue traten. Kate drehte sich langsam um. Nur wenige andere Paare trotzten dem kalten Abendwind. Der Mann, den O'Rourke gemeint hatte, stand auf den Stufen einer Terrasse in der Nähe der Seilbahnhaltestelle; Kate sah flüchtig einen langen, schwarzen Ledermantel, Brille und Bart unter einem Tirolerhut. Der Mann betrachtete verbissen die Aussicht jenseits des Geländers.
Kate tat so, als würde sie den Stadtplan studieren. »Sind Sie sicher?« fragte sie.
Der Priester rieb sich den Bart. »Ziemlich. Ich habe gesehen, wie er beim Novotel hinter uns ein Taxi genommen hat. In der Seilbahn hat er sich bemüht, die Kabine neben unserer zu bekommen.«
Kate ging zu dem breiten Geländer und stützte sich darauf. Der Herbstwind trug den Geruch von Fluß und Herbstlaub und Autoabgasen zu ihr herauf. »Sind es noch mehr?«
O'Rourke zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Ich bin Priester, kein Spion.« Er neigte den Kopf in Richtung eines älteren Paars, das mit einem Dackel beim Palast spazierenging. »Die könnten uns auch verfolgen ... keine Ahnung.«
Kate lächelte. »Der Hund auch?«
Ein Schlepper, der eine lange Barke den Fluß hinauf beförderte, salutierte der Stadt mit drei langgezogenen Heultönen. Unten strömte der Verkehr mit einer Kakophonie von Hupen durch den Clark Adam Ter und dann über die Kettenbrücke, wo die Hecklichter mit den roten Neonschildern der Gebäude auf der anderen Seite des Flusses verschmolzen.
Kates Lächeln verschwand. »Was sollen wir tun?«
O'Rourke beugte sich mit ihr über das Geländer und rieb sich die Hände. »Weitermachen, würde ich sagen. Haben Sie eine Ahnung, wer Ihnen folgen könnte?«
Kate kaute an einem losen Hautfetzen ihrer Unterlippe. Heute abend waren die Kopfschmerzen nicht so schlimm, aber ihr linker Arm juckte unter dem kurzen Gips. Sie war so müde, daß ihr das Konzentrieren vorkam wie eine Autofahrt auf dunklem Eis - eine langsame und rutschige Angelegenheit. »Rumänische Securitate?«, flüsterte sie. »Die Zigeuner? Das FBI? Ein ungarischer Gauner, der darauf wartet, daß er uns ausrauben kann? Warum gehen wir ihn nicht fragen?«
O'Rourke zuckte die Achseln, lächelte und führte sie zurück zur oberen Terrasse. Der Mann im schwarzen Ledermantel entfernte sich ein kleines Stück von ihnen und schien weiterhin in den Anblick von Pest und dem Fluß vertieft zu sein.
Sie schlenderten weiter Arm in Arm - nur eines von vielen Touristenpärchen, dachte Kate schwindelnd - an der Seilbahnhaltestelle vorbei über einen großen Platz, den ein Straßenschild als Disz ter auswies, und dann eine Straße entlang, die laut O'Rourke Tarnok utca hieß. Kleine Geschäfte lagen an dem kopfsteingepflasterten Weg; die meisten hatten am Sonntagabend geschlossen, aber in einigen konnte man gelbliches Licht hinter Butzenscheiben erkennen.
»Hier«, sagte O'Rourke und führte sie nach rechts. Kate sah über die Schulter, aber falls der Mann im schwarzen Ledermantel ihnen folgte, verbargen ihn die Schatten. Hier standen Droschken in einer Reihe auf der schmalen Straße, und das Geräusch von Pferden, die auf das Zaumzeug bissen und mit den Hufen scharrten, war in der kalten Luft überdeutlich. Kate sah zum neugotischen Turm der kleinen Kathedrale auf, während O'Rourke sie zu einer Seitentür führte.
»Offiziell heißt diese Kirche St. Marienkirche von Buda«, sagte er und hielt ihr die massive Tür auf, »aber alle nennen sie Matthiaskirche. Der alte König Matthias ist in der Legende wahrscheinlich populärer, als er es im wirklichen
Weitere Kostenlose Bücher