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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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machte sie sich auf die Suche nach Vals Zimmer.
    Sie verlief sich nur einmal, ehe sie es fand, und ihre Wut wuchs, während sie durch die Gänge eilte, denn sie wollte die Sache mit Val bereinigen. Aber es war S’Rella, die auf ihr ungeduldiges Klopfen antwortete.
    „Was tust du hier?“ fragte Maris überrascht.
    S’Rella zögerte unsicher und schüchtern. Aus dem Inneren des Raumes erklang Vals Stimme. „Diese Frage muß sie nicht beantworten“, sagte er.
    „Nein, selbstverständlich nicht“, sagte Maris verlegen. Ihr war plötzlich bewußt, daß sie kein Recht hatte, so etwas zu fragen. Sie berührte S’Rellas Schulter. „Es tut mir leid. Darf ich hereinkommen? Ich möchte mit Val reden.“
    „Laß sie herein“, sagte Val, und S’Rella lächelte Maris vorsichtig an und öffnete die Tür.
    Wie alle Räume der Akademie war Vals Zimmer kalt und feucht. Er hatte ein Feuer im Kamin entfacht, um die Kälte zu vertreiben, aber bisher war sein Versuch erfolglos geblieben. Maris merkte, wie nackt sein Zimmer war. Persönliche Gegenstände, die etwas über den Bewohner ausgesagt hätten, fehlten völlig.
    Val lag vor dem Feuer und machte Liegestützen. Er hatte sein Hemd auf das Bett geworfen und trainierte mit bloßem Oberkörper. „Nun?“ fragte er, ohne seine Übungen zu unterbrechen.
    Maris war entsetzt, von dem, was sie sah. Vals ganzer Rücken war von kreuzweisen Linien und dünnen weißen Narben überzogen, Andenken an längst vergangene Schläge. Sie zwang sich, nicht mehr hinzusehen und daran zu denken, warum sie gekommen war. „Wir müssen miteinander reden, Val“, sagte sie.
    Er erhob sich, lächelte sie an und atmete schwer. „Gib mir mein Hemd, S’Rella.“ Dann, nachdem er es angezogen hatte, fuhr er fort: „Worüber willst du mit mir reden?“ Sein Haar, das nun nicht zusammengebunden war, fiel wie ein kupferfarbener Wasserfall über seine Schultern, milderte seinen strengen Gesichtsausdruck und ließ ihn eigenartig verwundbar erscheinen.
    „Darf ich mich setzen?“ Val zeigte auf den einzigen Stuhl im Zimmer. Nachdem sie sich gesetzt hatte, nahm er auf einem Hocker vor dem Kamin Platz. S’Rella setzte sich auf die Kante des schmalen Bettes. „Ich will keine Spielchen mit dir veranstalten, Val“, begann Maris. „Wir haben noch viel gemeinsame Arbeit vor uns.“
    „Wie kommst du darauf, daß ich Spielchen veranstalte?“ fragte er.
    „Hör zu“, sagte sie. „Mir ist aufgefallen, wie abweisend du dich gegenüber den Fliegern verhältst. Sie haben dich ausgestoßen und mit einem verletzenden Spottnamen gebrandmarkt, und vielleicht haben sie dir auch auf unfaire Weise, durch die mehrmalige Herausforderung, deine Flügel genommen. Aber wenn du deswegen gegenüber allen Fliegern auf ewig voreingenommen bist, wirst du der Verlierer sein. Gewinn deine Flügel im Wettkampf zurück, und du wirst mit ihnen leben, dich mit ihnen messen und für einen Großteil deines Lebens mit ihnen an einem Strang ziehen. Wenn du ihnen deine Freundschaft verweigerst, wirst du überhaupt keine Freunde haben. Wulst du das?“
    Val schien unbewegt. „Windhaven ist voller Menschen, von denen nur einige Flieger sind. Oder zählen die Landgebundenen für dich nicht?“
    „Warum bist du so haßerfüllt? Du kannst dir nicht schnell genug Feinde machen. Vielleicht denkst du, die Flieger haben dich falsch behandelt, und vielleicht hast du sogar recht. Aber zum Streiten gehören immer zwei. Versuch das zu verstehen. Was du Ari angetan hast, war auch nicht richtig. Wenn du willst, daß man dir vergibt, mußt du auch den Fliegern vergeben. Akzeptiere andere, und man wird dich akzeptieren.“
    Vals.schmale Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Wieso sollte ich wollen, daß man mich akzeptiert? Oder daß man mir verzeiht? Ich habe nichts getan, was Vergebung verlangt. Ich würde Ari wieder herausfordern, doch unglücklicherweise steht sie dieses Jahr nicht zur Verfügung.“
    Maris war sprachlos vor Wut.
    „Val“, sagte S’Rella mit leiser, aber entsetzter Stimme. „Wie kannst du so etwas sagen? Sie hat sich umgebracht!“
    „Landgebundene sterben jeden Tag“, erklärte Val mit leiserer Stimme. „Manche von ihnen bringen sich um, aber niemand macht Aufhebens davon oder singt darüber oder rächt ihre ärmlichen kleinen Selbstmorde. Jeder muß sich selbst die Flanken schützen, S’Rella, das haben mich meine Eltern gelehrt. Niemand wird es für dich tun.“ Sein Blick richtete sich wieder auf Maris. „Weißt

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