Kinder der Stürme
stinkenden Fisch vorgesetzt, und ich habe Fischeintopf gegessen, der überhaupt keinen Fisch enthielt“, sagte Val ruhig. „Ich bin mit Krabben großgezogen worden und habe mich von Resten ernährt, die die Flieger auf ihren Tellern zurückließen. Ich wäre schon glücklich, wenn ich mein ganzes Leben so einfach essen könnte, wie die Flieger.“ Die Art, wie er das Wort einfach aussprach, enthielt eine Spur Sarkasmus.
Maris errötete. Ihre leiblichen Eltern waren nicht wohlhabend gewesen, aber ihr Vater hatte in der See von Amberly gefischt, und sie hatten immer genug zu essen gehabt. Nach seinem Tod, als der Flieger Russ sie adoptiert hatte, hatte es ihr dann an nichts mehr gefehlt. Sie trank einen Schluck Wein und wechselte das Thema. „Ich wollte mit dir noch über dein Turns reden, Val.“
„Oh?“ Er schluckte einen letzten Bissen Fisch und schob seinen leeren Teller beiseite. „Mache ich etwas falsch, Fliegerin?“ Seine Stimme klang so gleichmäßig, daß Maris sich nicht sicher war, ob sie immer noch Sarkasmus enthielt.
„Nicht falsch. Aber mir ist aufgefallen, daß du immer bei Abwind wendest. Warum?“
Val zuckte die Schultern. „Es ist leichter so.“
„Ja“, sagte Maris. „Aber nicht besser. Wenn du den Abwind ausnutzt, gewinnst du zwar an Geschwindigkeit, aber du brauchst mehr Raum. Und bei einem Abwind-Turn neigst du eher zur Rolle, besonders bei starkem Wind.“
„Ein Turn bei Aufwind ist bei starkem Wind viel schwieriger“, sagte Val.
„Es verlangt mehr Kraft“, bestätigte Maris. „Aber du mußt noch kräftiger werden. Du solltest diesen Schwierigkeiten nicht aus dem Weg gehen. Die Angewohnheit, nur im Abwind zu wenden, scheint auf den ersten Blick harmlos, aber es wird die Situation kommen, in der du im Aufwind wenden mußt, dann solltest du dazu in der Lage sein.“
Vals Gesicht verriet keine Regung. „Ich verstehe“, sagte er.
Ermutigt wendete sich Maris einem heikleren Thema zu. „Da ist noch etwas anderes. Mir ist aufgefallen, daß du heute während der Übungen wieder dein Messer getragen hast.“
„Ja.“
„Beim nächsten Mal läßt du es besser“, sagte Maris. „Ich glaube, du verstehst das nicht ganz. Es spielt keine Rolle, was dir das Messer bedeutet, du mußt dich an das Fliegergesetz halten. Am Himmel dürfen keine Klingen getragen werden.“
„Fliegergesetz“, sagte Val mit eisiger Stimme. „Sag mir, wer gab den Fliegern das Recht, Gesetze zu machen? Haben wir etwa Bauerngesetze? Oder Gesetze der Glasbläser? Die Landmänner machen das Gesetz. Das einzig bestehende Gesetz. Als mein Vater mir das Messer gab, befahl er mir, es niemals abzulegen. Aber ich habe es in dem Jahr abgelegt, als ich che Flügel hatte. Ich gehorchte eurem Fliegergesetz. Aber es hat mir nur Schmach bereitet, denn ich war immer noch Einflügler. Nun, damals war ich noch ein Kind und gehorchte, aber jetzt bin ich kein Kind mehr. Ich habe mich entschieden, das Messer zu tragen.“
S’Rella sah ihn verwundert an. „Aber Val … wie kannst du das Fliegergesetz mißachten, wenn du selbst ein Flieger werden willst?“
„Ich habe nie behauptet, daß ich ein Flieger werden will“, antwortete Val. „Ich beabsichtige nur, die Flügel zu gewinnen und zu fliegen.“ Sein Blick wanderte von Maris zu S’Rella. „Und, S’Rella, denk daran, daß auch du nie ein richtiger Flieger sein wirst, selbst wenn du die Flügel gewinnst. Denk daran, wenn es soweit ist. Du wirst sein, was ich war – ein Einflügler.“
„Das ist nicht wahr!“ sagte Maris wütend. „Ich stamme nicht aus einer Fliegerfamilie, aber sie haben mich als ihresgleichen akzeptiert.“
„Haben sie das wirklich?“ fragte Val lächelnd und erhob sich von der Bank. „Würdet ihr mich bitte jetzt entschuldigen. Ich muß mich ausruhen. Morgen muß ich meine Aufwindturns üben, und dazu benötige ich meine ganze Kraft.“
Als er gegangen war, streckte Maris den Arm aus, um S’Rellas Hand zu nehmen, aber das Mädchen sah sie nur traurig an und zog sich zurück. „Ich muß auch gehen“, sagte sie und ließ Maris allein sitzen.
Lange Zeit saß sie gedankenverloren da. Erst als Damen zu ihr trat, bemerkte sie, daß sie ihr Essen vergessen hatte. „Alle sind fort“, sagte er leise. „Willst du nicht aufessen, Maris?“
„Oh. Nein, es tut mir leid. Ich fürchte, ich wurde abgelenkt und ließ es kalt werden.“ Sie lächelte und half Damen, die Teller abzuräumen. Dann verließ sie ihn. In den dunklen Korridoren
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