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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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die Kehlen durchgeschnitten. Die Straße war blut- überströmt. Sie haben mich gewarnt, mich ja nie wieder
auf dem Markt blicken zu lassen. Behaupteten, sie wüß- ten jetzt, woher du deine Macht beziehst — indem du die Tiere fickst! Das gehört zu den Dingen, die Hexen und Zauberer tun, nach den alten Riten!«
    Ohne es zu beabsichtigen, hatte er sich erhoben; sein Gesicht war weißer als Papier und glänzte vor Schweiß.
In diesem Moment hätte er seinen Sohn mit Vergnügen umbringen können.
    »Roy?« rief Tilly ängstlich; sie war im Gemüsegarten gewesen und hatte versucht, genügend Kartoffeln für
    ihr Abendessen auszubuddeln. Mit dem Korb am Arm humpelte sie durch die Hintertür herein und blieb voller Entsetzen auf der Schwelle stehen.
    Es entstand ein quälendes Schweigen. Doch dann un- ternahm sie den tapferen Versuch, wie üblich so zu tun, als sei alles normal, und sagte: »Ich habe dich gar nicht herfahren hören.«
    »Ich bin nicht hergefahren. Das Auto steckt im Matsch, ein Stück die Straße runter.«
    »Du hirnverbrannter Scheißkerl, du hast nicht nur
unsere Schweine eingebüßt, sondern auch noch unser Auto!« Garth war jetzt außer sich vor Zorn. »Ich müßte dich eigentlich ...«
    »Hallo?«
    Die Stimme war die vertraute von Mr. Youngman. Mit einem Fluch auf den Lippen drehte sich der Junge
um und blickte zur Tür.
    Ich dachte, ich hätte es diesem Widerling ausgetrieben, uns einfach ohne Ankündigung und ohne unsere Erlaubnis zu be- suchen!
    Seit einiger Zeit war es ihm überflüssig vorgekom-
men, die Behörden davon zu überzeugen, daß er eine ordentliche Schulbildung bekam. Außerdem bean- spruchte das viel Zeit und Anstrengung.
    Jetzt war er jedoch hier, auf dem Weg in die Küche. Sein Gesicht war kreidebleich, und er hielt die Hände fest ineinander verklammert vor sich, als wollte er sie damit am Zittern hindern. Seine Gebärden verkündeten deutlicher als Worte: Ich weiß, daß es dir nicht paßt, daß ich hereinkomme, aber es muß sein.
    Garth spürte, wie sich in seinem Brustkorb etwas schmerzhaft zusammenzog. Woher nahm dieser schlaf- fe, mit sich selbst und der Welt unzufriedene Lehrer so-
viel Mut? Nach so langer Zeit mußte er doch wissen, auf welche Gefahr er sich einließ. Vielleicht gestand er es sich selbst gegenüber auch nicht ein, doch er mußte erkannt haben, welche Macht Garth über Erwachsene besaß ...
    Und dann erschien ein anderer Junge in der Türöff-
nung.
    Nicht so groß wie Garth, doch mit einer Aura des Selbstbewußtseins. Teuer angezogen; seine modischen — amerikanischen — Schuhe mit Schlamm bespritzt, aber ansonsten picobello, als wäre er über Großstadt-
pflaster gewandert und nicht etwa über eine matschige Landstraße.
    Das Gefühl des Zusammengeschnürtseins in Garths Brust wurde zur Todesqual. Er mußte sich zum Stuhl ta- sten und sich setzen. Aus einem Augenwinkel beobach- tete er, wie seine Eltern Blicke der verstiegensten Hoff- nung wechselten.
    »Hallo, Garth«, hörte er. »Ich heiße David. Wir sind gekommen, um dich abzuholen.«
    »Ich will nicht...«
    »Doch, Garth, du willst.« David kam näher an ihn heran, die Augen wachsam auf ihn gerichtet. Ein Brot- messer lag auf dem derben Holztisch in der Mitte der Küche; eine Sekunde, bevor Garth daran dachte, es zu packen, hatte der Neuankömmling es in die gegenüber- liegende Ecke und damit außer Reichweite gestoßen.
    »Komm mir nicht näher!«
    Doch genau das tat er. Lächelnd streckte er einen Arm aus und strich Garth übers Handgelenk.
    »Erspar dir Ärger!« riet er ihm. »Ich weiß, wer wir
sind, und du nicht — noch nicht.«
    Dieser Satz drang in Garths widerspenstiges Gehirn. Nach einer Weile sagte er: »Wir?«
    »Ja, Garth. Auf dem Weg hierher habe ich mich mit Mr. Youngman unterhalten. Er wollte gar nicht mehr
herkommen — sagte, das letztemal sei fürchterlich ge- wesen —, doch letzten Endes willigte er ein. Ich bin ihm also zu Dank verpflichtet; und du natürlich auch.«
    Mr. Youngman schien den Sinn der Worte nicht zu begreifen. Er hatte sich in eine Ecke zurückgezogen und zitterte jetzt sichtbar. Aber wenigstens etwas war bis zu
    Roy durchgedrungen, denn er fragte gepreßt: »Hast du gesagt, du bist gekommen, um Garth mitzunehmen?«
    »Ja.« Ohne einen Blick zu ihm. »Ob er mitkommen will oder nicht.«
    »Gott sei Dank«, sagte Roy. Und einen Augenblick später lag Tilly in seinen Armen und schüttete ihr Herz aus in Tränen der Erleichterung.
    »Also los!« befahl David

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