Kinder des Donners
dem
Komposthaufen gelandet wären. Der Traum von der Selbstversorgung, den er einst gehabt und den er Tilly beschwörend nahegebracht hatte, war durch die Unmä-
ßigkeit von Garths unaufhörlichen Ansprüchen zunich- te gemacht worden. Der Junge schien einfach nicht be-
greifen zu wollen, wieviel bloße Zeit es erforderte, die- sem unwirtlichen Land einen Lebensunterhalt abzurin- gen. Tag und Nacht war er auf der Jagd nach Informa- tionen, Geräten, Material — und nochmals Informatio- nen! Eine zweite Hypothek hatte ihm die Anschaffung eines Computers und eines Telefonanschlusses als Ver- bindung zur Außenwelt ermöglicht; jetzt sah es so aus, als bedurfte es einer dritten — unmöglich! —, um die Kosten für den regen Gebrauch, den er davon machte, zu decken ...
Doch seine Eltern wagten nicht, es ihm zu verwei- gern, denn wenn er wütend wurde ...! Seit einer Woche humpelte Tilly mit einem Bein in einem Verband von der Hüfte bis zum Knie herum, weil Garth ihr aus Un-
zufriedenheit mit dem Abendessen befohlen hatte, sich
einen Tellervoll kochendheißer Suppe in den Schoß zu
schütten.
Nein. Nicht »befohlen«. Es war etwas, das Roy in den Zwischenphasen kurzen Durchbückens, die er durch Fahrten in den nahen Marktflecken erreichte, so schrecklich vorkam. Sein Sohn ließ sich jetzt kaum noch zu offenen Befehlen herab. Er schlug nur noch vor, und zwar in einem so bezwingenden Ton, daß es plötz- lich vollkommen in Ordnung zu sein schien, seinen Wünschen nachzukommen; obligatorisch, unentrinn- bar.
Wie heute. Die Ferkel waren noch nicht annähernd fett genug, um den Preis zu erzielen, den Roy sich vor- gestellt hatte, doch Garth hatte erklärt, daß er mehr Geld brauche, und zwar sofort. Wenn er mit in den Ort
gefahren wäre und seine unbegreifliche Macht der Überredung bei den Kaufinteressenten angewendet hätte, wäre es etwas anderes gewesen.
Doch wie sich herausstellte ...
Auf dem Heimweg merkte Roy, daß er weinte. Sein
Blick war so verhangen von Tränen, daß er mit dem ur-
alten Citroen in einer scharfen Kurve von der Straße ab- kam, und weil es in der Nacht zuvor geregnet und weil er schwer geladen hatte, versanken die Räder im tiefen
Schlamm. Hektisch versuchte er, sie auszugraben, doch
es gelang ihm nicht, und schließlich erkannte er, daß er die letzten paar hundert Meter des Weges zu Fuß zu-
rücklegen und den Schrecknissen entgegensehen muß-
te, die sich sein Sohn als Bestrafung für ihn ausdenken würde.
»Lieber wäre ich tot«, sprach er in die Luft. »Lieber würde ich mir die Kehle durchschneiden und mich zu
meinen Schweinen gesellen.«
Aber er tat es nicht. Obwohl er ein Taschenmesser da- bei hatte. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, was
Garth danach mit Tilly anstellen würde.
»Wieviel hast du für die Schweine bekommen«, frag- te der Junge, ohne vom Bildschirm seines Computers aufzublicken.
»Sie sind hinten im Auto.«
»Ich habe dir gesagt, du sollst sie verkaufen!« Jetzt drehte sich Garth mit einem Ruck um, und sein Gesicht
glich einer wutverzerrten Maske. »Warum, zum Teufel, hast du das nicht getan?«
»Niemand wagt sich an sie heran. Niemand will mehr Schweinefleisch essen, seit man AIDS bei ...«
»Du hirnverbrannter Idiot! Wer kann sich vorstellen,
daß du sie bumst? Ich glaube, du kriegst sowieso keinen mehr hoch, nicht einmal für ein Schwein!«
»Nicht ich«, sagte Roy und ließ sich in einen hölzer- nen Sitz fallen. Mit einemmal schien er frische innere Kraftreserven mobilisiert zu haben. Vielleicht war das ein Zeichen höchster Verzweiflung. »Du!«
»Was?« Garth erhob sich von seinem Stuhl und ging drohend auf ihn zu.
Die Wangen immer noch feucht von Tränen, hob Roy Crowder den Kopf und blickte seinem Sohn fest in die
Augen. »Du hast gehört, was ich gesagt habe«, preßte er zwischen den Lippen hervor. »Als ich merkte, daß nie- mand sie kaufen wollte, war ich im Begriff, sie wieder ins Auto zu laden, so daß wir, wenn es auch eine Ab- kehr von unseren Prinzipien bedeutete, wenigstens et-
was Fleisch zum Essen hätten und vielleicht die Haut
noch verwerten könnten. Es wird behauptet, man kann vom Schwein alles gebrauchen mit Ausnahme des
Quiekens ...«
»Und ...?« Garth beugte sich mit gefletschten Zäh- nen über ihn.
»Ein halbes Dutzend Männer verfolgte mich. Ich habe keinen von ihnen erkannt. Sie hatten sich Nylon- strümpfe über den Kopf gezogen und alte Säcke überge- worfen, um ihre Kleidung zu verbergen. Sie haben ih- nen
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