Kinder des Donners
vertreiben!« rief Claudia ihr nach.
»Das hast du nicht«, sagte Ellen mit fester Stimme. »Aber ich habe eine Menge Hausaufgaben zu machen.«
Und doch ließ sie eine Atmosphäre von Eindeutigkeit zurück ...
Mit betroffener Miene setzte Claudia ihr Glas ab, oh-
ne einen Schluck genommen zu haben. Sie sagte: »Habt
ihr Probleme? Ich dachte, nachdem wir — wie lautete noch die starke altmodische Formulierung, die du ge- braucht hast — unser Projekt am Fahnenmast hochge- zogen und sie zum Salutieren gebracht hatten, lief alles glatt.«
»Ich glaube, ihr steht im Moment der Sinn nicht nach Gesellschaft. Sie ist traurig, weil sie den heutigen Abend eigentlich mit einer Schulfreundin hätte verbrin- gen sollen. Doch der Vater des anderen Mädchens woll-
te nicht, daß seine Kinder Umgang mit Niggern haben!«
»O nein!«
»O ja!« Mit grimmigem Gesicht ließ Peter Eiswürfel — klack! klack! — für sich selbst in ein Glas plumpsen. »Ich sage dir, ich weiß nicht, was aus diesem Land noch werden soll!« Er goß sich eine großzügige Doppelpor- tion Whiskey über das Eis. Danach waren nur noch ein paar Tropfen in der Flasche, die er in Claudias Glas schüttete, bevor er sie leer in den Abfalleimer warf. Sehr wahrscheinlich war das die letzte für lange Zeit...
Während er sich setzte, schloß er in verbittertem Ton: »Eins steht jedoch fest. Wenn die Kraftwerksarbeiter im nächsten Winter versuchen zu streiken, werden sie von der Armee an die Arbeit getrieben.«
»Wer sagt das?«
Er machte eine Handbewegung in Richtung Compu- ter. »Ellen geriet gestern zufällig an diese Information. Sie ist inzwischen besser als ich im Aufspüren der Stel-
len, wo die Maulwürfe ihren Dreck abladen. Das hat sie
von einer Tafel erfahren, von deren Existenz ich nicht
einmal wußte — ganz zu schweigen davon, wie ich mir kostenlosen Zugriff darauf verschaffen könnte.«
»Und du glaubst solche Gerüchte?«
»Immer mehr Staatsbedienstete sind von der Regie- rung so sehr angewidert, daß sie ihren Job aufs Spiel setzen und sogar Gefängnisstrafen riskieren, um die Pläne ihrer Oberen zu durchkreuzen. Dies ist nur der
letzte von vielen ähnlich gelagerten Fällen. Man kann an der Heftigkeit der Dementi, die solchen Verlautba- rungen folgen, ermessen, wie ernst man sie nehmen muß. Diese hier wurde bereits mit einem fast hysteri- schen Aufschrei dementiert, so daß ... ja, ich glaube es.«
Er kippte sich einen Riesenschluck Whiskey in den Rachen, an dem er fast erstickte.
»Bis jetzt ist es jedoch noch nicht passiert«, fuhr er fort, als er wieder sprechen konnte. »Wie kommst du voran?«
»Na ja, ich habe die Grant-Klinik besucht, wie du weißt, und noch eine andere, die auf der Liste steht, so-
wie ein paar, die nicht darauf stehen und kein bißchen
weniger leistungsfähig zu sein scheinen, obwohl sie bil- liger sind. Und in keinem Fall sieht es so aus, als ob es ir- gendeine Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten von außen gäbe. Sie sorgen einfach dafür, daß sie nicht ans
allgemeine Netz kommen, mit Ausnahme eines blitzar- tigen Transfers in eine kommerzielle Datenbank. Ich
hatte damit gerechnet, in einen knietiefen Sumpf von übelster Gewissenlosigkeit zu geraten — du weißt schon, skrupellose Scharlatane nutzen die Verletzbar- keit der Menschen aus —, doch in Wirklichkeit machen sie alle den Eindruck von einigermaßen ehrenwerten
Leuten, die wertvolle Dienste leisten.«
»Hm!« Peter sah sie nachdenklich an. »Und ich hatte mir vorgestellt, du wärst über einen PR-Job erhaben.«
»Das kannst du weglassen!« seufzte sie und nippte an ihrem Drink. »Worauf ich hinauswill, ist, daß Jake recht hat. Es wird uns nichts anderes übrigbleiben, als zu den herkömmlichen Methoden zurückzukehren.«
»Bestechung und Erpressung meinst du.«
»Das hat er gesagt, nicht ich. Und er hat eine men- schenverachtende Einstellung, dieser Typ. Nein, ich denke, der richtige Weg wäre, jemanden ausfindig zu machen — sagen wir mal, einen früheren Angestell- ten —, und solche Leute nach ihren Erinnerungen zu fra- gen. Ältere Menschen, die zurückgezogen leben, geben oft bereitwilliger Auskunft als solche, die noch im Beruf stehen. Schließlich hat das letzte Jahrzehnt mit seiner gespenstischen Ausweitung computerisierter Daten bei jüngeren Leuten zunehmend eine Paranoia ausgelöst — Bist du anderer Meinung?« — in einem eisigen Ton, denn er winkte mit seiner freien Hand ab.
»Nein, nein, nein! Ich finde nur, daß du
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