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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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noch verhältnismäßig billig waren. Sie hatte von der Leber ein paar Streifen abgeschnitten
    und hielt sie in der Hand. Außerdem hatte sie ein Schäl- chen mit Milch auf den Boden gestellt.
    »Ich glaube, sie ist verletzt«, fügte sie hinzu.
    »Eher krank«, knurrte Peter und holte sich einen Krug mit selbstgemachtem Bier aus dem Kühlschrank.
»Und wahrscheinlich voller Ungeziefer. Mußtest du sie unbedingt mit ins Haus bringen?«
    Einen Moment lang machte sie den Eindruck, kurz vor dem Explodieren zu sein. Dann überlegte sie es sich anders, während die Katze einen Mundvoll Leber an-
nahm und ein schwaches Schnurren zum Dank zustan- de brachte.
    Ellen erhob sich, wischte sich die Hände ab und wandte sich an ihren Vater. »Dad, bitte sei nicht so!«
flehte sie ihn an. »Laß mich versuchen, das arme Ding
zu retten! Falls es mir gelingt, dann habe ich Gesell-
schaft, wenn ich allein zu Hause bin.«
    Du brauchst doch nicht...
    Doch die Worte erstarben vor dem Aussprechen. Brauchte sie nicht? Das war nicht wahr. Immer weniger ihrer Freunde von der Schule, Jungen wie Mädchen, waren willens, sich in ihrer Gesellschaft sehen zu las-
sen, aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen durch die Throwers ...
    Gewaltsamer Druck, sicherlich. Doch von oben unter-
stützt.
    Und da er gerade an gewaltsamen Druck dachte ...
    »Na gut«, seufzte er, »du kannst sie über Nacht be- halten, aber morgen gehst du mit ihr zum Tierarzt, um
sie gründlich untersuchen zu lassen, okay?«
    Wenn sie ihn mit ihren wehmütig-sanften Augen an- sah, war es ihm irgendwie unmöglich, ihr etwas abzu- schlagen. Was nicht allzu verwunderlich war. Sein gan-
zes Leben lang hatte er eine Schwäche für schöne, weh- mütig-sanfte Mädchen gehabt. Deshalb hatte auch Ka- mala seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, nachdem sie gerade von ihrem vorherigen Geliebten sitzengelas-
    sen worden war. Es sah so aus, als ob Ellen zumindest einen Wesenszug von ihrer Mutter geerbt hätte ...
    Sie küßte ihn schmatzend auf die Wange. »Vielen, vielen Dank!« rief sie. »Das Abendessen ist in einer hal- ben Stunde fertig! Und stell dir vor, ich habe ein paar Kartoffeln aufgetrieben! Möchtest du lieber Pommes oder Püree?«
    »Was gibt's dazu?«
    »Das habe ich dir heute morgen doch gesagt! Leber und Zwiebeln.«
    »Stimmt, das hast du ... okay, Püree.«
    »Gut. Man soll nicht so viel Gebratenes zu sich neh- men, hm? Gesünder essen, länger leben...« Und ihr Gesicht verwandelte sich auf wundersame Weise in eine Maske des Elends. »Ich wüßte allerdings nicht, warum.«
    »Ellen, mein Schatz, was, um alles in der Welt ...?«
    Plötzlich strömten Tränen über ihre Wangen.
    »Eben, die Welt, das ist es«, quetschte sie heraus, wo- bei sie sich umdrehte und nach einem Papiertaschen- tuch griff. »All die schrecklichen Dinge, die jeden Tag in den Nachrichten gebracht werden, schlimmer als meine schlimmsten Alpträume! Hast du von dem Zugunglück gehört?«
    »Was für ein Zugunglück?«
    »Heute nachmittag in Manchester. Es kam im Radio
— ich habe gleich die erste Meldung darüber gehört. Nein, schalte den Fernseher nicht ein« — als er automa- tisch Anstalten machte, genau das zu tun. »Ich möchte die Bilder nicht sehen. Menschen wurden bei lebendi-
gem Leibe zu Brei zermalmt. Es wird behauptet, die Computer, die die Signale stellen, hätten versagt...«
    Sie erholte sich wieder etwas. Nach einem letzten Abtupfen der Augen legte sie das Taschentuch beiseite.
    »Tut mir leid«, murmelte sie schließlich. »Mir ist da- bei nun mal in den Sinn gekommen, was damals pas- siert sein muß, bei dem Flugzeugunglück, bei dem ... bei dem mein früheres Zuhause verbrannte.«
    Es war das erstemal seit vielen Wochen, das sie das Unglück, bei dem ihre Mutter ums Leben gekommen war, direkt erwähnte. Peter legte den Arm tröstend um
sie, da ihm nichts zu sagen einfiel.
    »Und es gibt eine Nachricht von Claudia«, fuhr Ellen nach einer Pause fort. »Sie liegt krank im Krankenhaus.«
    »O nein! Was fehlt ihr denn?« Er erinnerte sich, daß sie in letzter Zeit über Unwohlsein geklagt hatte, doch da die Story, die sich zu Beginn so vielversprechend an- gelassen hatte, überhaupt nicht weiterging, hatte er sich erlaubt, einige Tage lang keine Verbindung zu ihr aufzu- nehmen.
    »Heringswurm.«
    »Was? Oh! Nein, sag nichts darüber!« Peter spürte, wie sich sein Mund zu einem grimmigen Lächeln ver-
zerrte. »Ich weiß über den Heringswurm Bescheid. Und es handelt sich dabei um etwas

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