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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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aus ihm geworden?
    Und führe uns nicht in Versuchung ...
    Diese Worte hallten wieder und wieder in Davids Geist nach, während der Rolls-Royce in wirbelndem Re- gen durch die öden Hopfenfelder Kents schnurrte. Hin und wieder tauchte das kegelförmige Dach eines Trok-
kenhauses auf und verschwand wieder hinter einer Bie- gung, wenn die Straße in einer Kurve verlief. Mit der nächsten Person seiner Geschwister, die er hoffte, abho- len zu können, hatte es etwas sehr Merkwürdiges auf sich. Nach allen verfügbaren Auskünften hatte sie ihre Macht nur ein einziges Mal eingesetzt und nur auf eine einzige Person gerichtet...
    Doch wenn man einmal erkannt hat, daß man die Bega- bung besitzt . . .
    Nach der heilsamen Lektion, die ihm die Begegnung mit GianMarco erteilt hatte, war er ständig verunsi- chert, was seine gefährdete Rolle als Oberhaupt der
Gruppe betraf. Entweder hatte diese Mary Gall nicht begriffen, zu was sie fähig war, und die Art, wie sie sich ihres Vaters entledigt hatte, war lediglich das Ergebnis einer instinktiven Reaktion, niemals wiederholt weil
nicht durchschaut, oder (und David hatte das Gefühl, daß das wahrscheinlicher war) sie besaß eine bemer-
kenswerte Einfühlsamkeit und Selbstbeherrschung — oder, um es anders auszudrücken, die Fähigkeit, der Versuchung zu widerstehen, die mit dem Besitz der ab- soluten Macht über andere Menschen einherging.
    David Shay besaß nicht nur diese Fähigkeit nicht, er
wollte es auch gar nicht. Die Zeit reichte nicht für den Luxus, ein Gewissen zu haben ...
    Das war der Grund dafür, daß er Crystal mit auf diese Reise genommen hatte. Trotz seiner anfänglichen Ver- achtung mochte er sie inzwischen fast am liebsten von all seinen Halbgeschwistern. Ihre Erfahrungen auf dem Straßenstrich von London hatten in ihr einen gewissen Zynismus wachsen lassen, zugegeben, doch unter ih- rem dicken Panzer schien sie sich — genau wie er —
    nach einem Ideal zu verzehren. Tatsächlich barg sie die
Vision einer besseren Welt in sich.
    Sie war es, die im Laufe der endlosen Auseinander- setzungen innerhalb der Gruppe am schnellsten und klarsten das Bedeutende an seinen Vorschlägen auffaß- te, und mehr als einmal war es dem Umstand, daß sie zu ihm hielt, zu verdanken, daß die Stimmung bei einer Zusammenkunft umschlug und sich gegen Sheilas Grämlichkeit, Terrys kaltblütiges Verlangen nach mate-
riellem Besitz und Garths verbitterte Verachtung für alle Erwachsenen wandte.
    Er hoffte, daß sich Mary Gall als weitere Verbündete erweisen würde. Das Austricksen der anderen, sie um-
zukrempeln und von seinen Ansichten zu überzeugen, zehrte an seinen Kräften. Er wußte, was getan werden mußte und wie wenig Zeit noch blieb. Doch in der Reihe der anderen war es offenbar nur Crystal, die ein Emp- finden dafür hatte, wie sehr alles drängte ...
    Wenn sich herausstellen sollte, daß Mary Gall eine weitere Widersacherin war...
    Doch er wollte über diese Möglichkeit nicht nachden- ken. Gedankenverloren hob er die Armstütze an, in der die Computertastatur des Wagens eingebettet war, und
tippte den Code ein, mit dem er sich in das Suchpro- gramm, das nach Louis Parker fahndete, einschalten konnte. Der Bildschirm, der in die Rückenlehne des
Fahrersitzes eingebaut war, informierte ihn, daß es noch
immer keinen Grund zur Freude gab. Mit einem Seufzer
schaltete er um zu einer Landkarte, auf der ihr Voran- kommen zu verfolgen war.
    »Bei der nächsten Abzweigung nach links«, wies er Harry an. »In fünf oder sechs Minuten müßten wir da sein.«
    Seine beiden Vermutungen hinsichtlich Mary, so stellte sich heraus, waren gleichermaßen falsch.
    Sie und ihre Mutter hatte letzten Endes Marshmere
     
    verlassen, da sie den allgemeinen Klatsch nicht mehr er- tragen konnten. Das Haus war mit einem hübschen Ge- winn verkauft worden, und ihr neues Heim im Poppy Cottage war nicht weniger luxuriös, wenn auch nicht ganz so groß, und hatte einen herrlichen Garten. Keine
von beiden wollte den Jaguar behalten, also hatte man sich von ihm und von dem Citroen getrennt; dafür stand jetzt ein mittelgroßer Volvo in der Garage. Es blieb noch eine beträchtliche Zeit, bis Richard seine Haftstrafe verbüßt hätte; trotzdem hatte Mary darauf bestanden, daß Edna eine gerichtliche Verfügung er- wirkt hatte, um zu verhindern, daß er nach seiner Ent- lassung mit ihnen Kontakt aufnehmen würde. Alles hätte also in bester Ordnung sein können.
    Doch es war nicht so.
    Trotz der Vorwürfe

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