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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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und schaffte es nicht sogleich, diese Vermutung als unzu-
treffend zu begreifen.
    »War deine Mutter früher mal unter dem Namen Sin- dy bekannt?«
    »Was?«
    Geduldig wiederholte das Mädchen aus dem Wagen die Frage.
    »Nun — ja! Aber woher weißt du das? Wieso kennst du mich?«
    »Eins nach dem anderen. Ich bin Crystal. Das hier ist Harry.«
    Ein Murmeln: »Angenehm.«
    Jetzt stieg auch Harry aus dem Auto und stellte sich neben seine — Tochter? Nicht sehr wahrscheinlich; es bestand eine gewisse Ähnlichkeit, aber im Benehmen und in der Haltung des Mädchens ...
    »Harry«, sagte sie, und ihr Ton war voller Autorität.
    »Ja?«
    »Ruf David an, und sag ihm, daß er recht hatte. Dann werden wir Pepita helfen, ihre Sachen nach oben zu schaffen.«
    »Schaffen ist das richtige Wort. Es sei denn, sie hätten inzwischen die Aufzüge repariert. Ganz gut, daß ich heute nicht soviel habe, was?«
    Warum sage ich das? Ich kenne diese Leute doch gar nicht! Ich spreche mit Fremden niemals über meine Probleme!
    Crystal ging auf sie zu und griff lächelnd nach ihrer Hand. Während der kurzen Zeit, die Harry brauchte, um per Autotelefon einen Anruf zu tätigen, durchflutete sie ein Gefühl des Vertrauens. Tatsächlich war es eigent- lich kein Anruf, jedenfalls keiner mit gesprochenen Worten. Er funktionierte lediglich die Tasten des Tele- fons zu einer Computertastatur um und tippte einen kurzen Code ein. Pepita hatte über solche Dinge schon
mal etwas gelesen, doch natürlich hatte niemand in ih- rer persönlichen Umgebung ...
    »So«, sagte Crystal ermutigend, »laßt uns hinaufge- hen!«
    Das passiert nicht wirklich. Es kann nicht sein.
    Wo blieben die Schreie, das Gegreine, die betrunke- nen Tobsuchtsanfälle? Was hatte Cynthia veranlaßt, sich an die Person zu erinnern, die sie einmal gewesen sein mußte, und sich in sie zurückzuverwandeln, in das höf- liche und anmutige junge Mädchen, das Besucher mit Tee und Gebäck empfing? Was hatte sie dazu gebracht, zu verschwinden und ein Kleid anzuziehen anstatt ihres Morgenrocks, ihr Gesicht zu waschen, sich zu frisieren, Lippenstift aufzutragen? Die Verwandlung war un- glaublich!
    Nach und nach dämmerte Pepita die Wahrheit.
    Diese Crystal kann das gleiche, was ich kann. — Nur bes- ser.
    Pepita begann vor Aufregung zu zittern. Keine Stun- de nach Ankunft der Besucher packte sie ihre Sachen in Papiertüten und Plastikbeutel. Cynthia seufzte, als ob
sie das Gefühl hätte, es würde von ihr erwartet, doch ihre Augen strahlten, so sehr freute sie sich für ihre Tochter, die sich ihre Zukunft im wohlhabenden Süden in den lebhaftesten Farben ausmalte.
    Niemand hatte sie allerdings tatsächlich in lebhaften Far- ben mit Worten geschildert!
    Das machte nichts. Es war Wirklichkeit. Ihre Träume waren Wirklichkeit geworden.
    Als sie ihre Mutter an der Tür umarmte, wußte sie, daß es — sofern sie es wollte — das letztemal sein wür- de.
    Benommen saß sie neben Crystal auf dem Rücksitz des Rolls und flüsterte: »Wie habt ihr mich gefunden?«
    »Frag David!« antwortete Crystal. Harry, der mitge- hört hatte, sprach über die Schulter nach hinten.
    »Ja, frag David! Er ist ein Phänomen, mein Sohn! Die meiste Zeit begreife ich nicht, was er tut, doch jedesmal stellt es sich als richtig heraus!«
    Eine Weile herrschte Totenstille, während der sie auf
das Brummen des Motors und das Rauschen der Reifen auf dem Straßenbelag und den Wind, der sie mit hoher
Geschwindigkeit streifte, lauschten.
    Sohn?
    Die unausgesprochene Frage war Pepita am Gesicht abzulesen. Da sie spürte, was sie meinte, setzte Crystal ein sanftes Lächeln auf und drückte ihre Hand. Sie formte mit den Lippen Worte zu einem Nicht-mal-Flü- stern, setzte sich zurück, damit Harry sie im Rückspie- gel nicht sehen konnte, und ließ sie wissen:
    Er wird es schon noch erfahren. Alles zu seiner Zeit. Alles zu seiner Zeit...
    Sie sehen TV-Plus. Zeit für die Nachrichten.
    In Südkorea haben die Luftstreitkräfte eine pharmazeuti- sche Fabrik und ihre Umgebung mit Napalm bombardiert.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums war diese So- fortmaßnahme notwendig, weil Organismen mit tumorerzeu- genden Geneigenschaften entwichen waren. Berichten zufolge kamen zweihundert Menschen ums Leben und viele Hunderte
mußten in Krankenhäuser eingeliefert werden. In verschiede-
nen angrenzenden Städten sind Tumulte ausgebrochen. Mehr
darüber in Kürze.
    Hier im Lande nimmt die Sorge über das Verschwinden von General Sir

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