Kinder des Donners
Hampton Thrower...
»Dad! Claudia!« Ellen kam im Schlafanzug ins Wohn-
zimmer gestürmt, ungeachtet der Tatsache, daß die bei-
den noch im Bett lagen, und schaltete den Fernsehappa- rat ein. »Jake hat seinen Knüller!«
Während er sich mühsam aufrichtete und sich auf ei- nen Ellbogen stützte, sagte Peter mit trübem Blick: »Was soll denn ...? Verdammt, Mädchen, es ist noch keine sieben Uhr!«
»Wollt ihr denn nicht sehen, was los ist?« entgegnete sie und trat vom Bildschirm zurück. Die Frühnachrich- ten hatten gerade angefangen, und die Hauptstory war die Thrower-Entführung, exklusiv vom Comet aufge-
deckt. Es wurde erwähnt, daß Jake auf gut Glück zu- sätzlich eine halbe Million Exemplare hatte drucken las- sen und daß sie bereits ausverkauft seien.
Während er seine Beine aus dem Bett schwang, ohne zu bedenken, daß er nackt war, sagte Peter mürrisch: »Wie lang wird es dauern, bis Spezial Branch die Zei-
tung einstellt?«
»Ach, Dad!« Ellen hätte mit dem Fuß aufgestampft, wenn sie nicht barfuß gewesen wäre. »Sieh doch mal einfach hin, ja?«
»Ja, natürlich, ich will es gern tun«, sagte Claudia, die sich aufrichtete und sich mit einem Arm über seiner
Schulter an seinen Rücken drückte, da ihr keine andere Verhüllung ihrer Nacktheit zur Verfügung stand. Und tatsächlich war es die Neuigkeit wert, daß man hinsah. Fast die halbe Zeit der zehnminütigen Sendung war diesem Bericht gewidmet, und es war das Hauptthema der Diskussion, die sich daran anschloß. Als sie anfing,
sagte Peter nüchtern: »Ich nehme alles zurück. Sie wür-
den es nicht wagen. Nicht bei dem öffentlichen Interes- se, das die Zeitung jetzt auf sich gezogen hat.«
»Ich wette, es kommt auf allen Kanälen!« rief Ellen
und drückte auf die Knöpfe der Fernbedienung. Und
wirklich, so war es.
»Ich glaube, ich kümmere mich besser mal darum, ob sie von mir was wollen«, murmelte Peter. »Sei ein Schatz und wirf mir meinen Bademantel her.«
Während sie mit automatischen Bewegungen seiner Bitte nachkam, breitete sich auf ihrem Gesicht Enttäu- schung aus.
»Aber wir müssen doch Louis Parker aufsuchen!«
Peter wollte gerade sagen: »Das müssen wir verschie- ben!« —, als sie neben das Bett geschossen kam, auf die Knie fiel und ernst zu ihm aufblickte.
»Bitte!« flüsterte sie. »Ich habe doch so schwer dar-
an gearbeitet, ihn zu finden. Und du hast es verspro- chen.«
Hin und her gerissen zögerte er. Schließlich bat er Claudia um Rat, die lange nachdachte, doch zuletzt sag- te: »Weißt du, ich glaube, sie hat recht. Du könntest jetzt sicher auf die schnelle eine Stange Geld machen, weil der Beitrag im Comet von dir stammt und ihn Tausende von Leuten in dieser Minute lesen. Andererseits, wenn
wir Jake, solang er gut gelaunt ist, die ersten stichhalti- gen Beweise bezüglich der Kinder, über die du geschrie- ben hast, liefern ... könnte sich das auf lange Sicht mehr bezahlt machen.«
Ellen sprang auf und nahm sie und ihren Vater gleichzeitig in die Arme. »Ich hatte gehofft, daß du ge-
nau das sagen würdest!« sagte sie. »Also gut! Ich mache das Frühstück. Ihr könnt zuerst ins Bad.«
Da in dieser Gegend viele wohlhabende Pendler wohn- ten, verkehrten immer noch in kurzen Zeitabständen Züge nach Camberley. Trotz der Kosten — nachdem die British Rail die Anzahl ihrer Passagiere seit Ende der achtziger Jahre durch steigende Fahrpreise >rationiert< hatte, anstatt zusätzliche Züge einzusetzen — entschie-
den sich Peter und Claudia für die Eisenbahn. Sie woll-
ten Ellen einen besonderen Genuß bieten. Sie war noch niemals mit einem Zug gefahren, abgesehen von der Londoner U-Bahn.
Da es Samstag war, war der Zug gestopft voll, und da
sie sich nur die zweite Klasse leisten konnten, mußte El- len, die noch zum halben Preis fuhr, abwechselnd auf
ihren Knien sitzen. Während Claudia beobachtete, wie
sie sich an Peter schmiegte und beiläufig der Unterhal- tung der anderen Fahrgäste lauschte — die sich unwei- gerlich vor allem um General Throwers Verschwinden drehte und die ganze Bandbreite der bereits kursieren- den Spekulationen wiedergab —, machte sie sich Ge- danken über die Zuneigung der beiden zueinander. So- weit sie ihn kannte oder einschätzen konnte, war sie überzeugt davon, daß Peter wutentbrannt gewesen sein mußte, als seine Tochter, um die er sich so lange nicht
gekümmert hatte, plötzlich in sein Leben gedrängt wur- de. Außerdem hätte man annehmen können, da er ihre
Weitere Kostenlose Bücher