Kinder des Donners
lügen — doch gibt es nicht Ausnahmen? Selbst wenn er die Letzte Ölung empfan- gen hat, ist er vielleicht doch nicht wahrhaft gläubig. Sind nicht viele Mitglieder der Kooperative Kommuni- sten oder sogar Atheisten? Es könnte doch gut sein, daß
er die Lüge, die Stimme meines Vaters gehört zu haben, gebraucht hat, um eine alte Rechnung zu begleichen —
schließlich sind wir alten Familien in radikalen Kreisen nicht sonderlich beliebt, nicht wahr? Und übrigens, vielleicht hat er sich auch einfach geirrt. Es war wirklich sehr dunkel, und wenn er aus dem Schlaf aufgeschreckt wurde, was ich annehme, da die Stunde schon sehr weit vorgerückt war, muß er verwirrt gewesen sein. Ich sage muß, denn mein Vater war bestimmt nicht dort. Ich war die ganze Zeit mit ihm zusammen, und wie er sagte, sind wir direkt nach Hause gefahren. Und was die Rei- fenspuren angeht — nun, wir sind patriotische Italiener! Genauso, wie wir Autos von Fiat kaufen, kaufen wir Reifen von Pirelli! Und die werden millionenfach ver- kauft, ist es nicht so?«
Mit einer Mischung aus Verwunderung und Erleich- terung sah er, wie die Sicherheit aus dem Gesicht des Polizisten wich, bis er am Ende der Rede kummervoll den Kopf schüttelte.
»Ja, natürlich, du hast wohl recht. Es war dunkel, wie du sagst, und in der Tat sind viele Mitglieder der Koope-
rative Sozialisten oder Schlimmeres, und ... ja, was gibt es?«
Er drehte sich zur Tür um. Guiseppina steckte nervös den Kopf herein. »Entschuldigen Sie bitte, Signori«,
platzte sie heraus. »Aber einer der Polizisten hat über Funk eine Mitteilung empfangen.« »Ich komme!«
Als er zurückkam, war der Maresciallo offensichtlich peinlich berührt.
»Allem Anschein nach muß ich Sie um Verzeihung bitten. Luigi Renzo ist letzte Nacht nicht nach Hause ge- kommen. Muß sich wohl aus dem Staub gemacht ha-
ben. Ohne Zweifel ist er der wahre Schuldige. Nun, es tut mir leid, daß ich Sie belästigt habe. Ich werde Sie in- formieren, sobald es etwas Neues gibt.«
Während er die Uniformmütze auf seiner Halbglatze zurechtrückte, verließ er das Haus in deutlicher Zerknir- schung.
»Was ist denn los?« rief Constanza vom oberen Trep- penabsatz herunter, und zwar in einem überzeugend
unschuldigen Tonfall im Hinblick auf Guiseppina, die die Eingangstür schloß.
»Etwas Abscheuliches ist geschehen. Offenbar haben Luigi Renzo und noch ein anderer Mann jemanden bei
der Scheune der Kooperative erschossen, und zwar kurz bevor wir nach Hause kamen. Deshalb ist die Polizei ge- kommen, um zu fragen, ob wir etwas Verdächtiges ge- hört oder gesehen haben.«
»Wie entsetzlich!« — das war Fabio, der aus seinem Zimmer gekommen war und die letzten Sätze mitange- hört hatte. »Und, konntest du behilflich sein?«
»Weder ich noch GianMarco, befürchte ich ... Nun, Guiseppina, wo bleibt unser Kaffee?«
Später, als sie unter sich waren und vertraulich reden konnten, raunte Renato seinem Sohn zu:
»Als ich sagte, du konntest nicht behilflich sein, meinte ich natürlich dem Maresciallo! Mir warst du eine bewundernswerte Hilfe. In meinem ganzen Leben habe ich noch kein so eindrucksvolles Beispiel von Schau-
Spielerei gesehen! Du hast praktisch sogar mich über- zeugt, ist dir das klar? Wirklich, ich habe tatsächlich ge- glaubt, was du gesagt hast.«
Als Antwort konnte GianMarco nur grinsen. Doch er spürte, wie ihm die Brust vor Stolz schwoll.
Alter Familienstolz.
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Der Flugzeugzusammenstoß letzte Woche in Teneriffa wur- de heute von offizieller Stelle auf einen Computerfehler zu- rückgeführt, genau wie der Unfall über dem Londoner Flug- hafen vor ein paar Wochen. Ein Sprecher der Pilotenvereini- gung, BALPA, kritisierte einen Zustand, für den er >Profit- gier< auf Seiten der Fluggesellschaften und >Unfähigkeit< auf Seiten der Flugüberwachung verantwortlich machte und we- niger die Computer.
Hier in Großbritannien scheint General Throwers Name inzwischen zu einer allgemeinen Bezeichnung für eine ganze Strömung geworden zu sein, wie einst Hoover. Eine Meute von Jugendlichen, die Fähnchen mit dem Aufdruck Ach bin
ein Thrower< schwenkten, randalierten und verwüsteten ...
Schließlich kam Claudia nicht eine halbe, sondern eine ganze Stunde später. Während er auf sie wartete und mit Ellen an seiner Seite die Nachrichtensendung ver- folgte, dachte Peter viel über seine Tochter nach. In der
Vergangenheit, so hatte sie zugegeben, hatte sie sich
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