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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Haare.
    »Eigentlich ist es eine ganz tolle Idee. Das heißt, vor- ausgesetzt, du hast nichts dagegen, als Ein-Personen- Test-Zielgruppe mißbraucht zu werden ...?«
    Sie schüttelte heftig den Kopf.
    »Also los!« sagte er und warf Claudia mit einer hoch-
    gezogenen Augenbraue einen seitlichen Blick zu. »Wir wollen die Fahne mal aufziehen und sehen, ob Ellen den Hut davor zieht.«
    »Manchmal« entgegnete Claudia spöttisch, während sie in den Bergen von Papier mit vorläufigen Notizen
auf dem Tisch herumwühlte, »habe ich den Verdacht, daß du viel älter bist, als du behauptest... Okay, also los!«
    Eine Stunde später, als Ellen brav ins Bett gegangen war und Peter Claudia zur Tür brachte, sagte diese: »Weißt du was?«
    »Was denn?«
    »Daß du deine Tochter wiederbekommen hast, ist das Beste, das dir je passieren konnte. Sie macht aus dir ei- nen Menschen!«
    »Ich weiß nicht...« Heftiges Blinzeln.
    »Himmel Herrgott!« Wenn Claudia jünger gewesen wäre, hätte sie mit dem Fuß aufgestampft. »Auch wenn dir selbst nichts auffällt, mir fällt es auf! Vor ein paar
Wochen warst du ein egoistischer Erfolgsjäger, der not- falls über Leichen ging und es nicht einmal merkte —
und darauf auch noch stolz war! Seit die Kleine bei dir ist, bist du weicher geworden. Netter. Rücksichtsvoller. Muß ich den ganzen Wortschatz aufsagen?«
    Die Tür zur Straße hin stand halb offen und ließ die
Luft der wahrscheinlich letzten lauen Herbstnacht her- ein; der Flur lag im Dunkeln, weil er kein Licht einge- schaltet hatte — das machte er jetzt immer automatisch so, seit er gemerkt hatte, wie begrenzt sein Budget da- durch geworden war, daß er für ein Kind sorgen mußte.
Doch von den Straßenlaternen fiel ein diffuser Schein herein. In diesem Viertel hier funktionierten die Lam- pen häufiger, als daß sie kaputt waren.
    Im Halbdunkel konnte er Claudias Gesichtsausdruck erkennen, der eine Mischung aus Bewunderung und Traurigkeit widerspiegelte.
    »Gottverdammt!« preßte sie zwischen den Lippen hervor. »Ich glaube, es kommt noch soweit, daß ich dich mag, Peter Levin! Ich, die ich nach der Trennung von meinem Mann geschworen habe, Männer für alle Zeit zu hassen!«
    Und sie legte ihm einen kräftigen Arm um den Hals und zog seinen Kopf herunter, bis seine Lippen die ih- ren berührten.
    Sie küßte hinreißend. Als ihre Zunge die seine be- rührte, wurde sein Glied sofort steif. Aber in dem Mo- ment, als er mit der gewölbten Hand ihre Brust umfas-
sen wollte, entzog sie sich ihm und verschwand hinter der zugeschlagenen Wagentür.
    »Bis morgen um zehn in der Redaktion des Comet!« waren die letzten Worte, die er hörte. Und: »Denk an El- len! Ich glaube, wir haben jetzt etwas gemeinsam!«
    In seinem neuen persönlichen Reich sah David Shay seine morgendliche Post durch. Es war wenig von Be- deutung darunter, bis auf eine Nachricht. Soweit er es ihrem fast analphabetischen Gekritzel entnehmen konnte, war Bethsaida schwanger, und da die Frucht ih- res Leibes während jener Zeit gezeugt worden sein mußte, in der ihr Mann sich auf dem Kreuzfahrtdamp- fer befand, drohte er ihr jetzt mit Scheidung. David ver- anlaßte die Überweisung von fünfzigtausend Pfund von
seinem Konto auf den Bahamas, was sie beide für eine
Weile zum Schweigen bringen würde, und übergab ih- ren Brief einem Reißwolf neben seinem Schreibtisch, zusammen mit dem größten Teil seiner anderen Post.
Dann lehnte er sich zurück, gähnte, reckte sich und sah sich um.
    Das Haus, das er als derzeitige Unterkunft für sich und seine Familie ausgewählt hatte, war ein großes vik- torianisches Gebäude, in bequemer Reichweite von London, in Virginia Water, Surrey. Es lag ein gutes Stück von der Hauptstraße zurückgesetzt, zwischen Bäumen, die im Begriff waren, die Blätter abzuwerfen; dennoch bot es noch ausreichend Privatsphäre, da es am Ende einer kurvigen Auffahrt mit immergrünem Buschwerk lag. Es war fast ein Jahr lang unbewohnt ge-
wesen, da es für die meisten Leute zu geräumig war mit seinen zwanzig Zimmern, den ausgedehnten Nebenge- bäuden und einem riesigen Garten. Um es angemessen
zu unterhalten, so hatte der Immobilienmakler ent-
schuldigend erklärt, bedurfte es mindestens dreier Be- diensteter, die ständig im Haus lebten, und der Eigentü-
mer war so geldgierig, daß er es anfangs keinem gerin- geren als einem arabischen Millionär überlassen wollte.
Doch bei dem allgemeinen Rückgang des Welthandels hatte sich kein derartiger

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