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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Jetzt wähnte sie das Licht erneut am Erlöschen.
    »Deiner Schwester?«
    »Ja … ihr Name ist Oreguen.«
    Du bist nicht nur die Tochter eines Nordmannes, das allein macht dich nicht gefährlich. Aber du bist auch das Kind … das Kindeskind von …
    Die schwarzen Schleier rissen. Nackt lag die Wahrheit vor ihr, und sie begriff.
    Wenn Hawisa Oreguens Schwester war und jene die Tochter von Alanus dem Großen, dann war auch sie dessen Kind – und Mathilda seine Enkelin. Ja, in ihr floss Alanus’ Blut, das Blut des letzten großen christlichen Herrschers der Bretagne … aber auch das von ihrem Vater Rögnvaldr, dem letzten großen Heiden, der das Land regiert hatte.
    Du bist die Erbin.
    Hawisa hatte sich wieder abgewandt. »In den ersten Jahren nach Rögnvaldrs Tod wähnte ich mich noch sicher. Ich habe dich vor … ihr verstecken müssen, aber selbst konnte ich unbehelligt leben.«
    Warum sprach sie von den Jahren nach seinem Tod, nicht von jenen, die vorangegangen waren? Wie war sie zu seiner Frau geworden, zur Mutter seines Kindes, zur Frau, die sein Thor-Amulett trug?
    »Doch seit 933 wurden wir stetig bedroht«, fuhr Hawisa fort. »Damals ist Alanus Schiefbart zum ersten Mal in die Bretagne eingefallen. Noch scheiterte er, aber bei seinem zweiten Versuch drei Jahre später eroberte er Nantes.«
    Hawisas Stimme klang verächtlich.
    »Warum hasst du ihn so?«, fragte Mathilda. »Wenn er doch dein Verwandter ist, dein Neffe, der Sohn deiner Schwester?«
    Hawisa lachte bitter auf – und da erst begriff Mathilda: Sie hasste nicht nur Alanus Schiefbart, sie hasste vor allem ihre Schwester. Oreguen … die gewiss alles für den Sohn zu tun bereit war … die ihn als Herrscher der Bretagne sehen wollte … die böse Frau, der ihre einstige Amme Cadha ebenso treu ergeben war wie deren Tochter Maura.
    Das Lachen verstummte. »Alanus Schiefbart hätte eigentlich mein Sohn sein sollen. Sein Vater Mathedoi, ebenfalls das Kind mächtiger Clanführer, war einst als mein Gatte vorgesehen. Da war ich noch jung.« Sie klang, als wäre das Ewigkeiten her, und Mathilda hatte tatsächlich Mühe, hinter dem faltigen, müden Gesicht ein jugendliches, frisches zu erahnen. »Er war ein Mann, wie ich ihn mochte, stattlich, besonnen, keiner, der nichtige Worte machte, dem das Jagdglück stets hold war, der sich auf dem Pferderücken und mit dem Schwert in der Hand am wohlsten fühlte. Ich wollte keinen Mann, der lesen und schreiben kann – das konnte ich selbst. Ich wollte einen ehrgeizigen Mann, der gemessen an meinem Vater nicht jämmerlich wirkte.«
    »Aber du hast ihn nicht bekommen.«
    »Nein«, sagte Hawisa schlicht, und hinter dem Wort verbargen sich die Tränen einer gekränkten jungen Frau, die blinde Wut, als jener Mann die Schwester vorzog, die Verbitterung über deren Glück, das später von einem Sohn gekrönt wurde. »Nein. Er hat statt meiner Oreguen geheiratet.«
    Mathilda suchte in ihrer Miene die Spuren von Kränkung, aber fand nur Kälte … und Bösartigkeit. Eine Frau, die so verzweifelt lieben kann, macht man sich besser nicht zur Feindin, schoss es ihr durch den Kopf.
    »Und dann?«, fragte Mathilda atemlos.
    »Dann trat Rögnvaldr in mein Leben.«
    Es klang harmlos, aber Mathilda konnte sich denken, dass die wenigen Worte eine grausame Wahrheit verhüllten. Jemand wie Rögnvaldr trat nicht gemächlich ins Leben anderer. Ein Nordmann, ein Heide wie er, kam gewiss wie ein Gewittersturm, kam mit Gewalt und mit Feuer.
    Mathilda wollte sich nicht an diesem Feuer verbrennen.
    »Und du hast ein Kind von ihm bekommen … mich«, sagte sie schnell.
    »Leider hat Oreguen davon erfahren.«
    Wieder beschränkte sie ihre Worte aufs Notwendige. Wieder genügte das wenige, um alles zu begreifen. Erst hatte die Liebe zum gleichen Mann die zwei Schwestern entzweit – dann hatte die Tatsache, dass die eine die Mutter des christlichen Erben war, die andere die Mutter der heidnischen Erbin, endgültig eine Kluft geschlagen. Und auch wenn Mathilda ihren Mördern entgehen konnte – Oreguen hatte trotzdem gesiegt.
    »Und nun ist Alanus Schiefbart der Herrscher der Bretagne«, murmelte sie.
    Hawisa kniff die Lippen zusammen. »Noch …«, zischte sie, »… doch bald kommt unsere Zeit!«
    Dass sie sie raunte, ließ ihre Worte bedrohlicher erscheinen – und verrückter. Mathilda, bislang damit befasst, im fremden Gesicht der Mutter Vertrautes zu entdecken, hatte den Ort, an den sie geraten war, noch nicht genauer in Augenschein

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