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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Krieger, Gottesmann.
    Auch Bernhard der Däne wachte, während alle anderen die letzte Möglichkeit nutzten, zu Kräften zu kommen, und schnarchten. Arvid hatte keine Ahnung, wie sie ihre Erregung bannen und Ruhe finden konnten. Sogar Bernhard schien dies unbegreiflich. Sein Gesicht wirkte grau.
    »Hab Dank für deinen Dienst«, murmelte er. »Ohne deine Botschaft an Harald hätten wir scheitern können.«
    Arvid nickte nur.
    Gegen Morgengrauen verließen sie das Zelt und starrten auf den Fluss. Holz trieb auf dem Wasser, ein paar kreischende Möwen hockten darauf, die kurz zuvor noch dänische Drachenschiffe umkreist hatten und solcherart tiefer ins Landesinnere vorgedrungen waren, als es ihnen die Natur gebot. In der Stille des Morgens überkamen Arvid Erinnerungen an die letzten Tage, die er wie einen Traum durchlebt hatte.
    Harald Blauzahn hatte ihn sehr zuvorkommend behandelt, als er ihn nach mehrtägigem Marsch endlich erreichte. Arvid hatte erwartet, in eine fremde Welt vorzustoßen, doch wenn Haralds Krieger auch eine fremde Sprache sprachen, mehr Felle trugen, eine merkwürdig anmutende Kopfbedeckung und aufdringlicheren Schmuck, gebärdeten sie sich ansonsten wie Männer, die er kannte. Tollkühn und leichtsinnig jene, die sich vom Leben noch keine blutige Nase geholt hatten, misstrauischer und abschätzender jene, die zu oft erlebt hatten, dass einer, der morgens stolz sein Schwert hebt, mittags schon gefällt sein kann und am Abend von Totenvögeln umkreist wird. Harald hatte sich beides bewahrt – eine gewisse Nachdenklichkeit, die ihn vor vorschnellen Entscheidungen bewahrte, gepaart mit dem Stolz eines Königssohns, der genügend Schlachten gewonnen hatte, um den Kampf mit einem anderen seines Ranges nicht zu scheuen.
    »Wir können immer noch scheitern«, murmelte Arvid.
    »Ich bin frohen Mutes«, erwiderte Bernhard. Sein fahles Gesicht und seine tonlose Stimme verhießen etwas anderes.
    »Frohen Mutes!«, stieß Arvid aus. »Heute werden Menschen sterben!«
    Bei Harald hatte er erlebt, dass Heiden Menschen waren wie alle anderen auch – doch gegenüber Bernhard konnte er seinen Hader immer noch nicht verbergen, dass der ausgerechnet den gottlosen Harald um Hilfe gebeten hatte.
    Bernhard ging nicht auf seine Worte ein. »Heute kommt die Stunde der Wahrheit. König Ludwig wird endlich erkennen, dass die Normannen sich ihm nicht unterworfen haben, nachdem ich mich über Wochen, ja Monate verstellen musste, täuschen und lügen.«
    »Nun«, entfuhr es Arvid unwillkürlich, »du hast immer nur andere belogen – niemals dich selbst. Du weißt trotz allem, wer du bist und was du willst.«
    Bernhard blickte ihn verwirrt an. »Du etwa nicht?«
    Arvid zuckte die Schultern. »Ich wusste lange nicht, auf welcher Seite ich stehe. Als Wilhelm noch lebte, zürnte ich ihm oft, dass ich mich nicht einfach ins Kloster zurückziehen konnte. Wenn ich die Wahl hätte – ich wäre lieber als Franke oder Nordmann geboren worden, nicht als einer, der beider Erbe trägt.«
    »Wer waren deine Eltern?«
    Arvid biss sich auf die Lippen. Er bereute, dass er sich nach der durchwachten Nacht zu jenem vertraulichen Bekenntnis hatte hinreißen lassen. Mit niemandem an Wilhelms Hof hatte er je über seine Herkunft gesprochen, außer mit Mathilda. »Das tut nichts zur Sache«, sagte er schnell.
    Bernhard bedrängte ihn nicht. Wieder schweigend sahen sie zu, wie sich die Dunstschwaden lichteten, das Grau des Himmels zerriss und dahinter eine noch bleiche, aber schon warme Sonne sichtbar wurde. Das Schnarchen erstarb, die Männer rüsteten sich für den Tag. Noch fielen ihre Bewegungen schläfrig aus, aber laute Schritte und das Stimmengewirr, das ganz plötzlich ertönte, schürten allgemeine Unruhe.
    Bernhard zuckte zusammen. Eine Gruppe Männer rief seinen Namen und stürmte dann auf ihn zu, allesamt Boten offenbar – die einen von Harald Blauzahn geschickt, die anderen von normannischen Befehlshabern.
    Arvid hörte nicht alles, was sie Bernhard zuraunten, aber verstand das Wichtigste: Demnach wollten die normannischen Krieger, die bisher die Täuschung mitgetragen hatten, nun aber das dänische Heer in der Nähe wussten, den Franken gegenüber nicht länger Freundschaft heucheln, sich vielmehr so rasch wie möglich mit den dänischen Truppen vereinen. Einige von ihnen hatten unter der Führung eines gewissen Agrald bereits den Fluss überquert, um sich den Dänen anzuschließen.
    »Ist das nicht viel zu früh?«, rief Arvid

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