Kinder des Feuers
entsetzt.
Bernhards Mund verzerrte sich zu einem unerwarteten Lächeln. »Im Gegenteil«, erklärte er. »Ich werde nun ein letztes Mal lügen. Komm mit, wenn du es erleben willst.«
Wenig später betraten sie das Zelt von König Ludwig, das nicht weit von ihrem aufgestellt worden war. Von außen glich es dem eines gewöhnliches Kriegers – im Inneren versprach es mehr Bequemlichkeit: Pelze und Kissen bedeckten den Boden.
Wer sind die Menschen, fragte sich Arvid unwillkürlich, die im Krieg diese Aufgabe übernehmen? Die nicht töten, sondern Kissen und Felle schleppen, damit man es vor dem Töten behaglich hat?
König Ludwig war gerade dabei, sich anzukleiden. Nachdem Arvid einst in Laon nur mit Königin Gerberga hatte sprechen können, sah er ihn an diesem Tag zum ersten Mal. Seine Statur war nicht sonderlich respekteinflößend, doch der Blick seiner blassblauen Augen war so hart, das Kinn so stolz gereckt und die Gesten so bestimmt wie die eines Mannes, der zu befehlen gewohnt war. Er hatte rötliches Haar und bleiche Haut und war somit zu farblos, um ansehnlich zu sein, doch seine hektischen, fordernden Bewegungen atmeten den Geist der Jugend. Unverkennbar war Ludwigs Ehrgeiz, der ihn vielleicht nicht zum Helden machen würde, aber zu einem Herrscher, der sich zu behaupten wusste.
Er ist mein Verwandter, dachte Arvid bei seinem Anblick und kämpfte darum, eine gleichgültige Miene zu wahren. Mein Onkel, der mich töten lassen wollte. Wenn Ludwig nicht gewesen wäre, wäre sein Leben nie aus dem Takt geraten. Er wäre in Jumièges geblieben, hätte niemals die Wahrheit über seine Herkunft erfahren, hätte niemals Mathilda geliebt. Obwohl er darauf nicht verzichten wollte, wuchs sein Hass, und er senkte rasch seinen Blick, um sich nicht zu verraten.
Bernhard der Däne konnte seine Gefühle besser verbergen. »Ich bin Euch treu ergeben, mein König«, erklärte er eben mit unterwürfigem Tonfall, »doch ich fürchte, im Kreise meiner Männer gibt es einige Verräter. Sie haben entschieden, sich den Dänen anzuschließen, und etliche Krieger dazu gebracht, es ihnen gleichzutun.«
»Etliche?«
»Mehrere Hundert«, murmelte Bernhard kleinlaut.
Ludwig ballte seine Hände zu Fäusten: »Verflucht! Die Verräter sollen bluten!«
»Ich bitte Euch, einen kühlen Kopf zu bewahren. Noch gibt es eine Möglichkeit, die Schlacht zu verhindern.«
»Was ratet Ihr mir?«
Bernhard beugte sich vertraulich zu Ludwig. »Wie ich hörte, hat Harald Blauzahn soeben den Fluss überschritten. Er ist bereit, mit uns zu verhandeln, vorausgesetzt, dass jegliche Kämpfe solange aufgeschoben werden.«
Arvid hob seinen Blick wieder, und sein Hass wich Schadenfreude. Ludwig wirkte arglos. Er ahnte nicht, was er, Arvid, längst wusste: In der Zeit der Verhandlungen, da Ludwig sich in Sicherheit wog, würden sich das dänische und das normannische Heer endgültig vereinen, um dann überraschend loszuschlagen. Dies hatte er Bernhard wiederholt sagen hören: Einen Krieg zu gewinnen erforderte nicht nur, den Gegner zu töten, sondern geduldig zu warten, bis es so weit war.
»Und Harald will wirklich nur Gold?«, fragte Ludwig misstrauisch.
»Nun ja – gewiss wird er auch Wilhelms ungesühnte Ermordung zur Sprache bringen und dass Richard eigentlich der rechtmäßige Erbe der Normandie ist.«
»Davon habt Ihr mir bis jetzt nichts gesagt!«, fuhr Ludwig auf.
»Gewiss wird Harald sich alsbald besänftigen lassen«, wiegelte Bernhard hastig ab. »Die Treue zu einem Toten ist nicht größer als seine Raffgier. Und von Richard kann er nicht gleiches Gold erwarten wie von Euch.«
Längeres Schweigen folgte, bis Ludwig endlich nickte. »Also gut«, verkündete er. »Ladet Prinz Harald ein, in mein Zelt zu kommen.«
Bernhard verkniff sich jegliches Zeichen des Triumphes. Auch er nickte, ehe er, gefolgt von Arvid und seinen übrigen Begleitern, nach draußen trat, einen Boten zu Harald schickte und auf ihn wartete.
Er deutete auf den Himmel. »Wenn die Sonne den höchsten Stand erreicht hat, schlagen wir zu«, raunte er Arvid zu. »Du bist kein Krieger – nimm dir ein Pferd und reite fort, solange es noch geht. Ein jeder wird glauben, dass du ein Bote bist.«
Arvid nickte zustimmend, aber war nicht recht begeistert. So wenig erpicht er darauf war, in eine Schlacht zu geraten, so unschlüssig war er, wohin er fliehen sollte. Allerdings konnte er Bernhard nicht mehr fragen, denn eben kam Harald Blauzahn auf sie zu, und Bernhard trat ihm
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